Bartosz MIŁASZEWSKI
Managing Partner RSM Poland

Angenommen, ich habe eine Gesellschaft gekauft und…

… nicht alles ist so, wie ich es mir vorgestellt habe, obwohl niemand mich betruegen wollte. Passiert das öfters? Ich befuerchte, ja. In meinem Job treffe ich jeden Tag Menschen, die darueber entscheiden, ob und wenn ja, fuer wie viel ein Unternehmen erworben werden soll. Der Preis wird im Rahmen der Verhandlungen meistens als das X-fache von EBIT/EBITDA/Jahresueberschuss vereinbart. Ich gelte nicht als Befuerworter dieser Lösung. Ich mache lieber die Bewertung nach der DCF-Methode in drei Szenarios: positiv, neutral und negativ. Aber wer hat heute Zeit dafuer? Wegen ihrer Einfachheit gewinnt die Bewertung nach dem Multiplikator des Ergebnisses ganz viele Befuerworter.

Die Spezialisten fuer M&A und Transaktionsberatung nutzen das -fache von EBITDA als einen Faktor, mit dem ein guter Einkaufspreis (wenn der Faktor niedrig ist) bzw. ein guter Verkaufspreis (wenn der Faktor hoch ist) ermittelt wird.  Waehrend einer Krise kaufen wir fuer das 3-4-fache von EBITDA, in der Zeit des Aufschwungs – fuer das 8-fache und mehr. Am Freitag, den 16. Januar 2015, berichtete ein Kollege aus den USA auf der Konferenz Going International in Turin, dass das X-fache von EBITDA fuer Transaktionen in den Vereinigten Staaten im Jahre 2014 12-14 betrug. Das waer’s zum Thema Wirtschaftskrise in den USA, die gemaeß der Aussage von Frank LeBiahn, einem Kollegen von RSM McGladrey, in den Vereinigten Staaten bereits beendet wurde.

Ich beschloss, eine Gesellschaft zu kaufen, also die wichtigsten Entscheidungen stehen noch vor mir

Stellen wir uns eine nicht unbedingt seltene Situation vor. Schauplatz: Polen. Eine Firma X (Kaeuferin) findet ein Unternehmen Y (Target) oder umgekehrt, auf jeden Fall will die Firma X das Unternehmen Y kaufen. Beide Unternehmen sind an ihren Maerkten gut verankert, sie haben Geschaeftserfahrung und sind ihrer Kompetenzen in der Branche und allgemein im Geschaeft sicher. Sie beschaeftigen professionelle und erfahrene Fuehrungskraefte, die sich entscheiden, den uebernahmeprozess selbstaendig durchzufuehren.

Sie verhandeln also, unterschreiben NDA (Geheimhaltungsvereinbarung), reden weiter und am Ende vereinbaren den Preis – als das 8-fache vom normalisierten EBITDA (aus dem Ergebnis sind  einmalige Ereignisse ausgeschlossen). Sie vereinbaren die Transaktionsgrundsaetze, unterzeichnen LOI (Absichtserklaerung) und schreiben SPA (Anteilskaufvertrag). Die Firma X (also die Kaeuferin) verzichtet auf Due Diligence zur Bestaetigung der Bilanzwerte des Unternehmens Y (uebernahmetarget). Der CFO (Vorstand Finanzen) der Firma X argumentiert die Entscheidung so, dass die Transaktionsparteien sich gegenseitig vertrauen, dass das Unternehmen Y ueber die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialversicherungsanstalt [ZUS] und des Finanzamtes verfuegt und dass zusaetzlich noch die Jahresabschluesse des Targets in den letzten 3 Jahren durch eine angesehene Wirtschaftspruefungsgesellschaft geprueft wurden. Mit anderen Worten – die Transaktion war sowieso kostspielig und es hat keinen Sinn, die Kosten noch zu vermehren.

Ist die Entscheidung richtig? Nehmen wir die Schluesselargumente, Schritt fuer Schritt unter die Lupe.

  • Erstens das Vertrauen. Zwischen den Parteien einer Geschaeftstransaktion ist das Vertrauen notwendig, jedoch niemals ausreichend. Manchmal will uns niemand betruegen, macht aber selber einen Fehler und fuehrt uns dadurch – unbewusst – irre.
  • Zweitens die Bescheinigungen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigungen im Bereich der Sozialbeitraege und Steuern bestaetigen, dass das Unternehmen Y an die Sozialversicherungsanstalt und an das Finanzamt so viel abfuehrte, wie viel es deklarierte. Hat das Unternehmen aber richtige Betraege deklariert? Wie ist es, wenn die Buchhalterin einen Fehler machte, das Rechnungsbuero einen Geschaeftsvorfall in den Handelsbuechern nicht erfasste bzw. die Buchhaltungssoftware falsch konfiguriert wurde? Das werden wir aus den amtlichen Bescheinigungen nicht erfahren, die lediglich bestaetigen, dass das Unternehmen Y gemaeß der von ihm abgegebenen Erklaerung einen bestimmten Betrag zu zahlen hatte und diesen gezahlt hat.
  • Zum Schluss die Finanzergebnisse. Die Jahresabschluesse wurden durch eine gute Wirtschaftspruefungsgesellschaft bestaetigt, was wollen wir denn noch mehr? Niemand bestreitet es doch, dass ein professionelles Beratungsunternehmen zuverlaessig ist. Zu diesem Thema schreibe ich aber ein bisschen mehr.

Zankapfel

Ohne die Arbeitsqualitaet des Wirtschaftspruefers des Unternehmens Y in Frage zu stellen, ist es zu betonen, dass es einen Unterschied zwischen der Jahresabschlusspruefung und der Due Diligence gibt, der dem Erwerber zum Dorn im Auge werden kann. Praeziser gesagt, „zu zwei Dornen”: wegen der Relevanz und des X-fachen.

Von dem X-fachen als Bewertungsmethode schrieb ich oben. Jetzt zu der Relevanz, nach Vereinfachung zur absoluten Grenze… Ein Wirtschaftspruefer bestaetigt nach der Pruefung des Jahresabschlusses, dass er in wesentlichen Teilen korrekt ist. Er muss also nicht ideal sein, aber die Unterschiede sind immateriell und können ignoriert werden.

Beispiel

Das Unternehmen Y hat Einnahmen von PLN 200 Mio. Die Forderungen betragen im Jahresabschluss 40 Mio. PLN. EBITDA macht 10 Mio. PLN aus. Die Relevanz fuer Forderungen betraegt in diesem Fall 0,5 Mio. PLN. Mit anderen Worten, selbst wenn 0,5 von 40 Mio. PLN der Forderungen des Unternehmens Y gegen seine Geschaeftspartner ueberfaellig sind und abgeschrieben werden sollten, wird der Wirtschaftspruefer (gemaeß den Kunstregeln) feststellen, dass der Jahresabschluss transparent, zuverlaessig, etc. aufgestellt wurde. Der Wirtschaftspruefer hat einen guten Job gemacht, man kann ihm nichts vorwerfen. Was bedeutet das aber fuer unsere Transaktion?

Die Parteien vereinbarten, dass der Preis des Unternehmens Y von dessen EBITDA abhaengt und 8 * EBITDA betraegt. EBITDA betraegt nach Ausschluss der einmaligen Ereignisse 10 Mio. PLN – gemaeß dem von dem Wirtschaftspruefer geprueften Jahresabschluss. Der Preis des Unternehmens Y belaeuft sich also auf 80 Mio. PLN.

Haette sich die Firma X entschieden, eine Due Diligence zu machen und haette sie waehrend dieser Pruefung festgestellt, dass die Forderungen um PLN 0,5 Mio. niedriger sein sollten (angenommen, es waeren keine sonstigen Unterschiede ausgewiesen), so haette EBITDA 9,5 Mio. PLN betragen, also waere der Preis des zu erwerbenden Unternehmens um … 4 Mio. PLN niedriger.

Der CFO wollte aber Geld sparen.