Neben den komplexen Fragen mit Bezug auf die Besteuerung von Arbeitnehmern in internationalen Situationen ist auch die steuerliche Behandlung von „Geschäftsführervergütungen“ ein wichtiger Punkt für international tätige Unternehmen. Artikel 16 des OECD-Musterabkommens bietet hierfür eine Orientierungshilfe, aber auch hier gilt: Der Teufel steckt im Detail, und die nationalen Auslegungen können erheblich voneinander abweichen.

Artikel 16 des OECD-Musterabkommens – Grundregel für Vergütungen von Mitglieder des Ausichts- oder Verwaltungsrats

Artikel 16 des OECD-Musterabkommens regelt die Besteuerungsbefugnis für Vergütungen, die ein Einwohner eines Vertragsstaates in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats oder eines vergleichbaren Organs einer Gesellschaft erhält, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist.

Die Hauptregel lautet, dass der Staat, in dem die Gesellschaft ansässig ist (der steuerliche Sitz der Gesellschaft), die Vergütung von dieser Person besteuern darf. Dies gilt unabhängig davon, wo er seine Tätigkeit physisch ausübt. Dahinter steht der Grundsatz, dass die Vergütung mit der Funktion innerhalb der juristischen Person zusammenhängt und nicht so sehr mit dem physischen Ort der Ausübung der Aufgaben. 

Praktische Probleme und unterschiedliche Auslegungen

Obwohl die Grundregel in Artikel 16 relativ einfach erscheint, führt ihre Anwendung in der Praxis regelmäßig zu unterschiedlichen Auslegungen zwischen den Ländern. Dies liegt daran, dass der Wortlaut des OECD-Musterabkommens nicht immer eins zu eins in bilaterale Steuerabkommen übernommen wird. Darüber hinaus können nationale Rechtsvorschriften und Rechtsprechung zu unterschiedlichen Auslegungen von Kernbegriffen führen. Nachstehend geben wir einen Überblick über die aktuellen Schwerpunkte und Entwicklungen in den Niederlanden und den Nachbarländern.  

Erläuterung der Begriffe „Geschäftsführer” und „vergleichbares Organ”

Ein entscheidender Punkt ist die Definition dessen, was genau unter „Mitglied des Vorstands oder eines vergleichbaren Organs” zu verstehen ist. Der OECD-Kommentar gibt eine gewisse Orientierung, aber die nationale Gesetzgebung und Rechtsprechung sind für die endgültige Auslegung maßgeblich. Nachstehend beschreiben wir die Definition, wie sie von einer Reihe von Ländern verwendet wird:

  • Niederlande: in den Niederlanden gibt es eine Zweiteilung hinsichtlich des Begriffs „Vorstandsmitglied” oder „Geschäftsführer”. In älteren Verträgen wird ein eher formaler Ansatz verfolgt, wobei der formale Status des Vorstandsmitglieds oder Aufsichtsratsmitglieds gemäß der Satzung der Gesellschaft berücksichtigt wird.  Diese Verträge enthalten häufig eine Bestimmung, wonach sich der Begriff „Geschäftsführer” oder „Aufsichtsratsmitglied” auf Personen bezieht, die als solche von der Hauptversammlung der Aktionäre oder einem anderen zuständigen Organ der Gesellschaft bestellt wurden und mit der allgemeinen Leitung der Gesellschaft bzw. deren Überwachung betraut sind. In neueren Verträgen wird eine etwas andere Definition verwendet. Dabei handelt es sich um Personen, die mit der allgemeinen Leitung des Unternehmens betraut sind, sowie um Personen, die mit deren Überwachung beauftragt sind. Dies ist eine viel eher materielle Herangehensweise an den Begriff des Vorstandsmitglieds, Geschäftsführers oder Aufsichtsratsmitglieds. Es sind die tatsächlichen Befugnisse zu betrachten, die denen eines Vorstandsmitglieds entsprechen.
  • Deutschland: in Deutschland wird streng zwischen dem „Vorstand” und dem „Aufsichtsrat” unterschieden. Die Vergütung eines Mitglieds des „Aufsichtsrats” fällt in der Regel unter Artikel 16, während die Vergütung eines „Vorstandsmitglieds” je nach Grad der Unterordnung manchmal unter Artikel 15 (als Arbeitnehmer) fallen kann. Dies kann zu Unstimmigkeiten darüber führen, welcher Artikel anzuwenden ist, was möglicherweise zu einer doppelten Besteuerung oder einer doppelten Befreiung führen kann.
  • Belgien: in Belgien wird der Begriff „Geschäftsführer” relativ weit ausgelegt und kann auch für Personen gelten, die zwar keine formelle satzungsmäßige Funktion innehaben, aber tatsächlich die Gesellschaft leiten. Die belgische Steuerbehörde berücksichtigt die Art der Tätigkeiten und den Grad der Selbstständigkeit und verfolgt somit einen eher materiellen Ansatz.

Unterschiede in DBA

Bei der Aushandlung von Steuerabkommen können Länder spezifische Vereinbarungen treffen, die vom Standardtext des Artikels 16 des OECD-Musterabkommens abweichen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, immer das spezifische Steuerabkommen zwischen den beteiligten Ländern zu konsultieren und sich nicht blind auf den allgemeinen OECD-Text zu verlassen.

Einige Beispiele dafür, wie ein DBA abweichen kann:

  • DBA zwischen den Niederlanden und dem UK: das Steuerabkommen zwischen den Niederlanden und dem UK folgt in der Regel genau dem OECD-Text für Geschäftsführungsvergütungen. Bei dem Artikel über Vergütungen für Geschäftsführer wurde jedoch eine Ausnahme gemacht. Die Vergütung eines in den UK ansässigen Geschäftsführers einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft kann in den Niederlanden besteuert werden, sofern die Vergütung auf in den Niederlanden erbrachte Dienstleistungen zurückzuführen ist. Wenn ein Geschäftsführer also seine Tätigkeit von einem anderen Staat als den Niederlanden aus ausübt, wie beispielsweise (aber nicht beschränkt auf) seinem Wohnsitzstaat, in diesem Fall UK, dürfen die Niederlande darauf keine Steuern erheben. Sowohl in den Niederlanden als auch in den UK wird in den Steuergesetzen kein Unterschied hinsichtlich der Eigenschaft gemacht, in der eine Vergütung erzielt wird. Die in der Eigenschaft als Geschäftsführer erzielte Vergütung wird steuerlich genauso behandelt wie die in der Eigenschaft als Arbeitnehmer erzielte Vergütung. Es wird daher davon ausgegangen, dass die in dem Artikel über Geschäftsführergehälter genannte Vergütung auch das Gehalt umfasst, das ein Geschäftsführer aufgrund eines Arbeitsvertrags bezieht.
  • DBA zwischen den Niederlanden und Belgien: der Artikel 16 im DBA mit Belgien entspricht im Wesentlichen dem OECD-Musterabkommen, es gibt jedoch einige Nuancen. Es wird zwischen Mitgliedern und Quasi-Mitgliedern der Geschäftsleitung einer Gesellschaft unterschieden. Unter Mitgliedern der Geschäftsleitung der Gesellschaft sind in diesem Zusammenhang Personen zu verstehen, die für die Gesellschaft eine Aufgabe oder Funktion als Geschäftsführer, Verwalter, Liquidator oder eine gleichwertige Funktion ausüben. Quasi-Mitglieder der Geschäftsleitung der Gesellschaft sind Personen, die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses andere als die oben genannten Tätigkeiten für eine Gesellschaft ausüben. Für Quasi-Mitglieder ist eine Ausnahme von der Hauptregel vorgesehen. Wenn sie ihre Tätigkeiten in einer Betriebsstätte ausüben, die die Gesellschaft im Wohnsitzstaat dieser Quasi-Mitglieder unterhält, wird die Steuerhoheit ausschließlich diesem Wohnsitzstaat zugewiesen.
  • DBA zwischen den Niederlanden und Deutschland: der Artikel im DBA mit Deutschland entspricht fast vollständig dem Wortlaut von Artikel 16 des OECD-Musterabkommens. Lediglich die Formulierung der Vergütungen ist etwas anders. Im Abkommen ist von „anderen Vergütungen” die Rede, während im OECD-Musterabkommen von „anderen ähnlichen Vergütungen” die Rede ist. Damit wird sichergestellt, dass alle Formen der Vergütung in den Anwendungsbereich dieses Abkommens fallen. Darüber hinaus enthält der Artikel keine Definition des Begriffs „Geschäftsführer”, sondern eine Beschreibung des Begriffs „Mitglied des Verwaltungsrats”. Ein Mitglied des Verwaltungsrats umfasst sowohl Geschäftsführer als auch Aufsichtsratsmitglieder (Kommissare).
  • DBA mit Ländern außerhalb der EU: bei Steuerabkommen mit Ländern außerhalb der EU oder mit einem weniger harmonisierten Steuersystem können noch größere Abweichungen vom OECD-Musterabkommen auftreten. Dies kann sich in abweichenden Formulierungen über die Art der Vergütung, die Definition der Gesellschaft oder sogar in zusätzlichen Bedingungen für die Steuerhoheit äußern. Beispiele hierfür sind das Steuerabkommen zwischen den Niederlanden und den USA oder der Schweiz.

Wichtige Änderung der niederländischen Politik: von der Befreiung zur Anrechnung

Eine entscheidende Entwicklung, die sich auf die steuerliche Behandlung von Geschäftsführervergütungen für niederländische Einwohner auswirkt, ist die Aufhebung einer zuvor vom Staatssekretär für Finanzen erteilten Genehmigung zum 1. Januar 2023.

Bisher konnten niederländische Einwohner, die Vergütungen als Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied eines ausländischen Unternehmens erhielten, in vielen Fällen die Befreiungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Anspruch nehmen, wenn eine Anrechnung auf Vertragsebene vorgeschrieben war. Dies war oft vorteilhaft, da das Einkommen dann unabhängig vom Steuersatz im Quellenland in den Niederlanden effektiv befreit war.

Mit dem Beschluss vom 8. Juli 2022 wurde diese Genehmigung widerrufen. Das bedeutet, dass für Geschäftsführervergütungen, die unter Artikel 16 eines Steuerabkommens fallen, in den meisten Fällen nun die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.

Was bedeutet das konkret?

  • Befreiungsmethode (bisher): das ausländische Einkommen aus der Vergütung von Geschäftsführern war in den Niederlanden von der Steuer befreit, sofern es im Quellenland steuerpflichtig war.
  • Anrechnungsmethode (ab 2023): die tatsächlich auf die Vergütung von Geschäftsführern gezahlte ausländische Steuer kann mit der niederländischen Einkommensteuer, die auf dasselbe Einkommen zu entrichten ist, verrechnet werden. Dies kann zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung führen, wenn der ausländische Steuersatz niedriger ist als der niederländische Steuersatz, da die Niederlande dann die Differenz auf der niederländischen Ebene „aufschlagen”.

Diese Änderung der Politik kann zu unerwartet hohen Steuerbescheiden für Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder führen, die in den Niederlanden ansässig sind und eine Vergütung von einem ausländischen Unternehmen erhalten.

Schlussfolgerung

Die Anwendung von Artikel 16 des OECD-Musterabkommens ist zwar auf den ersten Blick klar, bleibt aber weiterhin in Bewegung. Aufgrund nationaler Auslegungsunterschiede und spezifischer Vertragsbestimmungen ist es unerlässlich, für jedes Land und jeden DBA einzeln zu analysieren, wie die Vergütung von Geschäftsführern steuerlich zu behandeln ist. Dabei ist die jüngste Änderung der niederländischen Politik zur Vermeidung von Doppelbesteuerung ein wichtiger Punkt. Es handelt sich dabei weiterhin um eine individuelle Betrachtung, die von den konkreten Fakten und Umständen des Einzelfalls abhängt.

Konkret für die Praxis

Die ordnungsgemäße Erfassung von:

  • der formellen Funktion und den satzungsmäßigen Befugnissen des Geschäftsführers;
  • der Art und dem Umfang der vom Geschäftsführer ausgeübten Tätigkeiten;
  • der Struktur der Vergütung; und
  • den spezifischen Bestimmungen des geltenden Steuerabkommens und der relevanten Politik ist von entscheidender Bedeutung, um Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung zu vermeiden und die Vorschriften einzuhalten.

Wenn Sie mit dieser Problematik konfrontiert sind oder andere Fragen zu international tätigen Geschäftsführer oder grenzüberschreitender Arbeit haben, wenden Sie sich bitte an Ihren RSM-Ansprechpartner.
 

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