In der Schweiz kann die Gründung eines gemeinnützigen Vereins oder einer Stiftung unter bestimmten Voraussetzungen zu einer vollständigen Befreiung von Einkommens- und Kapitalsteuern führen. Dieses Steuerprivileg ist jedoch weder automatisch noch bedingungslos. Es basiert auf einem anspruchsvollen Rechtsrahmen, der durch die Rechtsprechung verfeinert, durch Verwaltungserlasse (insbesondere das Kreisschreiben Nr. 12 der ESTV) konkretisiert und je nach Kanton unterschiedlich ausgelegt wird. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Organisationen diesen Status nicht erhalten, da die Hürden der Steuerbehörden immer höher gesteckt werden und sich der Prozess der Steuerbefreiung immer aufwändiger gestaltet.
In diesem Artikel beleuchten werden die verschiedenen Aspekte des Steuerregimes der Steuerbefreiung, welches für Organisationen mit gemeinnütziger Zielsetzung gilt. Wir konzentrieren uns dabei auf den Fall von Vereinen. Auch wenn das Thema aus der Perspektive von Vereinen behandelt wird, ist zu beachten, dass die dargestellten Grundsätze in der Regel ebenso für Stiftungen gelten. Die nötigen Anpassungen betreffen daher in erster Linie statutarische und organisatorische Fragen.
Ein gesetzlich geregelter gemeinnütziger Ansatz
Die Grundlage für die Steuerbefreiung bildet DBG Art. 56 lit. g. Er sieht vor, dass juristische Personen mit einem gemeinnützigen oder öffentlichen Zweck von der direkten Besteuerung befreit werden können, sofern ihre Mittel ausschliesslich und unwiderruflich diesem Zweck dienen. Dieser Grundsatz gilt in analoger Weise auch auf kantonaler Ebene.
Zentrales Kriterium ist der gemeinnützige Zweck. Wie die stetige Rechtsprechung des Bundesgerichts und die juristische Fachliteratur bestätigen, umfasst dieses Konzept uneigennützige Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen und sich an einen offenen Kreis von Begünstigten richten. Der Verein muss für die Allgemeinheit tätig sein und darf nicht einem eingeschränkten Kreis von Mitgliedern, einer Berufsgruppe, einer Familie oder einer Interessengemeinschaft zugutekommen.
Die Verfolgung des Allgemeininteresses ist grundlegend für eine Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit. So kann das Gemeinwohl durch Tätigkeiten in karitativen, humanitären, gesundheitsfördernden, ökologischen, erzieherischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereichen gefördert werden. Als das Gemeinwohl fördernd erscheinen beispielsweise die soziale Fürsorge, Kunst und Wissenschaft, Unterricht, die Förderung der Menschenrechte, Heimat-, Natur- und Tierschutz sowie die Entwicklungshilfe. Politische Tätigkeiten sind nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung in der Regel von der Gemeinnützigkeit ausgeschlossen. So entschied das Bundesgericht kürzlich (BGE 9C_430/2024), dass das Sammeln von Unterschriften für eine Volksinitiative keine Steuerbefreiung rechtfertigt, da es der Förderung parteipolitischer Interessen dient und somit den Eigeninteressen der Mitglieder gleichkommt.
Schliesslich reicht es nicht aus, diesen Zweck statutarisch festzuhalten. Es muss auch belegt werden können, dass im Sinne dieses Zwecks eine effektive und kontinuierliche Tätigkeit ausgeübt wird.
Die geeignete Rechtsform und entsprechend abgestimmte Statuten
Ein Verein muss zwingend gemäss ZGB Art. 60 ff. gegründet werden. Der Inhalt der Statuten ist dabei von zentraler Bedeutung. Sie müssen zwingend vorgeschriebene Klauseln enthalten, wie etwa das Verbot der Gewinnausschüttung, die Unwiderruflichkeit der Mittelverwendung oder die Übertragung des verbleibenden Vermögens im Fall einer Liquidation an eine andere steuerbefreite Organisation mit ähnlicher Zielsetzung.
Auch die Unternehmensführung wird genau unter die Lupe genommen. Wenn Ausschussmitglieder hohe Vergütungen oder übermäßige Spesenrückerstattungen erhalten oder wenn sie vergütete Führungspositionen innerhalb des Vereins innehaben, kann dies als Abweichung vom gemeinnützigen Zweck ausgelegt werden und zur Verweigerung der Steuerbefreiung führen.
Die Wachsamkeit der Steuerverwaltungen: Administrative Grauzonen
In der Praxis erschweren bestimmte Situationen die Genehmigung der Steuerbefreiung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verein mehrere Mitarbeiter beschäftigt, hohe Gehälter zahlt oder erhebliche Ausgaben tätigt (Reisekosten, Zulagen, repräsentative Räumlichkeiten usw.).
Bestehen Zweifel daran, dass die Mittel letztendlich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, können die Steuerbehörden die Befreiung ablehnen oder widerrufen.
In solchen Fällen wird dringend empfohlen, einen Antrag in Form einer Steuervorentscheidung (Ruling) zu stellen. Ein Ruling ermöglicht es, den Steuerbehörden im Voraus alle sachlichen, rechtlichen und organisatorischen Details des Vereins vorzulegen und eine formelle Stellungnahme zur Möglichkeit einer Steuerbefreiung einzuholen. Dies ist besonders relevant, wenn die Kriterien grenzwertig sind (Vorhandensein von bezahlten Mitarbeitern, Dienstleistungen für verbundene Dritte, erhebliche wirtschaftliche Nebentätigkeiten usw.). Die Eingabe eines Rulngs ist auch eine Möglichkeit, einen proaktiven Dialog mit den Behörden zu führen und die Rechtslage langfristig zu sichern.
Gute Dokumentation und eine kontinuierliche Überwachung
Der Antrag auf Befreiung erfordert die Einreichung einer vollständigen Akte, einschliesslich der unterzeichneten Satzung, des Gründungsprotokolls, eines Geschäftsplans, eines vorläufigen Budgets und aller Nachweise über die tatsächliche Tätigkeit (Gesellschaftsverträge, getroffene Massnahmen, Berichte usw.). In den striktesten Kantonen kann ausserdem bei der Erstantragstellung die Vorlage eines Jahresabschlusses und eines Organigramms verlangt werden.
Auch nach der Erteilung der Steuerbefreiung ist diese nicht automatisch dauerhaft. Der Verein muss weiterhin seine Steuererklärungen einreichen und jede Änderung seines Zwecks, seiner Statuten oder seiner Organisation kann zum Entzug der Steuerbefreiung führen.
Die Steuerbefreiung berechtigt Spenderinnen und Spender dazu ihre Zuwendungen an den Verein von der Einkommenssteuer abzuziehen, sobald dieser auf der von der Verwaltung veröffentlichten offiziellen Liste aufgeführt ist. Diese öffentliche Anerkennung stellt oftmals eine wichtige Grundlage für Finanzierung für Vereine dar, da sowohl Privatpersonen als Unternehmen einen Teil ihres Einkommens, resp. Gewinns für Spenden werden können.
Tiefere Steuern auch ohne Steuerbefreiung
Die Ablehnung einer Steuerbefreiung durch die kantonalen Behörden bedeutet nicht zwangsläufig eine deutlich höhere Steuerbelastung im Vergleich zu Unternehmen. Ohne die formale Anerkennung der Gemeinnützigkeit unterliegen Vereine weiterhin einem speziellen, begünstigten Steuerregime, das sich von demjenigen kommerzieller Unternehmen unterscheidet. Auf Bundesebene wird die Gewinnsteuer nur auf Beträge über 5’000 CHF erhoben und dies zu einem moderaten Satz von 4,25 %. Auf kantonaler Ebene wenden die meisten Kantone ebenfalls einen reduzierten Steuersatz an, in der Regel rund 50 %, für gemeinnützige juristische Personen, selbst wenn diese nicht formell befreit sind. Diese Steuererleichterung spiegelt die Anerkennung ihrer besonderen Aufgabe und ihrer uneigennützigen Arbeitsweise wider. Sie verbessert die Rahmenbedingungen, auch wenn die Steuererleichterung weniger vorteilhaft ist als eine vollständige Steuerbefreiung.
Eine Steuerbefreiung mit Einschränkungen
Es ist zu beachten, dass eine gewährte Steuerbefreiung nicht für alle Steuerarten gilt. Sie betrifft primär die direkten Steuern. Dazu zählen die direkte Bundessteuer sowie die kantonale und kommunale Gewinn- und Kapitalsteuer. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt auch noch Liegenschaftssteuern hinzu, wenn die Liegenschaft unmittelbar für die von der Befreiung erfasste Tätigkeit genutzt wird.
Andere Steuern bleiben jedoch unabhängig vom Status der Gemeinnützigkeit anwendbar. Dazu gehören insbesondere die Mehrwertsteuer (MWST) sowie die Quellensteuer auf Löhnen von Mitarbeitenden ohne steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz oder mit B-Bewilligung. Zu diesen Steuern zählen zudem die Grundstückgewinnsteuer und die Handänderungssteuer, die eigenen Regelungen unterliegen. Die Anwendung dieser Steuern hängt von der Art des Geschäfts, vom Kanton und von der Nutzung der Liegenschaft ab. Diese Punkte sollten bei der steuerlichen Gesamtanalyse des Vereins gesondert geprüft werden.
Fazit
Die Steuerbefreiung für Schweizer Vereine ist eine attraktive Möglichkeit, welche allerdings strengen Vorgaben unterliegt. Für Verantwortliche gemeinnütziger Projekte ist es wichtig, dieses Thema bereits vor der Gründung der Organisation zu berücksichtigen. Sowohl die formalen als auch die materiellen Anforderungen sollten frühzeitig eingeplant werden. In komplexen Fällen ist ein Ruling ein wichtiges Instrument zur Abklärung und Absicherung der Steuerbefreiung. Die Steuerbehörden erwarten einen klaren und nachvollziehbaren Nachweis, dass der Verein tatsächlich dem öffentlichen Interesse dient. Dies ist der Preis dafür, dass der Verein seine Tätigkeit langfristig mit Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit auch steuerlich fortführen kann.