Die jüngere Rechtsprechung anerkennt, dass ein formeller Fehler bei der Identifikation oder Deklaration von Kapitaleinlagereserven (KER) nicht zwangsläufig zu deren Aberkennung führt. 

Unser Beitrag unterstreicht die Bedeutung, Kapitaleinlagen von Beginn an sorgfältig zu dokumentieren, anstatt deren steuerliche Anerkennung im Nachhinein verteidigen zu müssen. 

Nach einer kurzen Einordnung der relevanten Voraussetzungen würdigt der Artikel eine willkommene Entwicklung in der Rechtsprechung, welche den Unternehmern und Aktionären zugutekommt.

Im Unternehmensalltag spiegelt jede Finanzierungsentscheidung eine Vision wider: die eines Aktionärs, der investiert, die Eigenkapitalbasis des Unternehmens stärkt und es auf zukünftiges Wachstum vorbereitet. Unter den verfügbaren Instrumenten nehmen Kapitaleinlagereserven (KER) einen besonderen Platz ein. Dabei handelt es sich um Beträge, die direkt von den Aktionären stammen, sei es in Form von Bargeldeinlagen, Sacheinlagen oder Agios bei Kapitalerhöhungen. Sie sind jedoch nicht Teil des nominellen Aktienkapitals.

Aus steuerlicher Sicht sind sie von entscheidender Bedeutung: Im Gegensatz zu Gewinnreserven können KER ohne Verrechnungssteuer, Einkommensteuer oder Gewinnsteuer zurückgezahlt werden, sofern die erforderlichen formalen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 20 Abs 3 DBG; Art. 5 Abs. 1bis VSTG). Mit anderen Worten: Sie ermöglichen es einem Unternehmer, Kapital ohne steuerliche Reibungsverluste an Investoren zurückzugeben, während eine gewöhnliche Ausschüttung unter anderem eine Verrechnungssteuer von 35 % auslösen würde.

Obwohl sie oft als technischer Mechanismus angesehen werden, sind KER in Wirklichkeit ein strategisches Instrument für das Kapitalmanagement und die Vermögensplanung. Bei richtiger Handhabung dienen sie als nachhaltiger Hebel zur Optimierung, indem sie die finanzielle Flexibilität erhöhen und gleichzeitig den Shareholder Value erhalten.

1. Der direkte Ansatz: Kapitaleinlagereserven ordnungsgemäss bilden

Um als KER zu gelten, müssen Beiträge sowohl inhaltliche als auch formale Anforderungen erfüllen. Inhaltlich müssen sie direkt von den Anteilseignern geleistet werden. Aus buchhalterischer Sicht müssen KER separat im Eigenkapital ausgewiesen werden. Verfahrenstechnisch ist eine Meldung an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) mittels Formular Nr. 170 weiterhin unerlässlich. Das Kreisschreiben Nr. 29c und die Mitteilung 020 der ESTV (18. September 2024) verlangen eine Meldung innerhalb von 30 Tagen (nach Genehmigung der jährlichen statutarischen Rechnungslegung für Einlagen; nach Genehmigung oder Zahlung für Rückzahlungen). Obwohl es sich hierbei primär um eine Verwaltungspraxis als um eine gesetzliche Frist handelt, erleichtert die Einhaltung die Anerkennung und steuerneutrale Behandlung, insbesondere für Ausschüttungen, die dann von der Verrechnungssteuer befreit sind.

Aus steuerlicher Sicht unterliegen solche Einlagen einer Emissionsabgabe in Höhe von 1 % nach Abzug eines Freibetrags von CHF 1 Million (Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 Bst. h StG), der in mehreren Tranchen, jedoch nur bis zu einem kumulierten Gesamtbetrag von 1 Million CHF während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Im Falle einer Sanierung gilt eine einmalige Befreiung von CHF 10 Millionen (Art. 6 Abs. 1 lit. k StG). Für den Teil, der von dieser Befreiung profitiert, wird der Beitrag jedoch den Verlusten zugewiesen und kann daher nicht zu KER führen. Wenn die Anerkennung von KER gewünscht wird, muss der Steuerpflichtige auf die Sanierungsfreigrenze verzichten und den Beitrag der ordentlichen Emissionsabgabe unterwerfen, gegebenenfalls nach Abzug des Freibetrags von CHF 1 Million.

Die der ESTV vorgelegten Unterlagen müssen insbesondere den genehmigten Jahresabschluss der Gesellschaft (der, falls zum Zeitpunkt der Einreichung noch nicht verfügbar, später unaufgefordert nachzureichen ist), den Kontoauszug mit den separaten Kapitalrücklagenpositionen im statutarischen Abschluss und das Protokoll der Generalversammlung mit dem entsprechenden Beschluss im Falle einer Rückzahlung enthalten. Bei Fremdwährungen sind die angewandten Wechselkurse unter klarer Angabe der verwendeten Quelle anzugeben.

Diese Anforderungen sind keine trivialen Verwaltungsformalitäten, sondern spiegeln die Notwendigkeit einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit und Transparenz bei der Verwaltung des Eigenkapitals wider, die wesentliche Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von KER und damit für die Inanspruchnahme der in Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 5 Abs. 1 lit. a VSTG vorgesehenen Vorzugsbehandlung sind.

Die Rückzahlung von KER muss ausdrücklich von der Generalversammlung genehmigt werden, und die Verfahrensregeln für ihre Beschlüsse, die hier nicht erörtert werden, müssen strikt eingehalten werden, um ihre Gültigkeit zu gewährleisten. Der Beschluss, der die Höhe der Rückzahlung festlegt, sollte den Betrag in Schweizer Franken oder in der Währung des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals angeben.

Es kommt jedoch vor, dass im Ausland ansässige Aktionäre den Rückzahlungsbetrag nicht in der Währung der Gesellschaft, sondern in ihrer alltäglich verwendeten Währung – etwa in Euro – festlegen möchten. In einem solchen Fall ist, sofern im Beschluss oder in den Statuten nichts anderes vorgesehen ist, der am Datum des Beschlusses der Generalversammlung geltende Umrechnungskurs massgebend. Dieses Datum entspricht der Fälligkeit und dem buchhalterischen Referenzpunkt. Die Ausschüttung ist damit zu diesem Zeitpunkt fixiert, und der rückerstattete Betrag, der mit den Reserven zu verrechnen ist, muss dem am Tag des Beschlusses bestimmten Gegenwert in Schweizer Franken entsprechen.

2. Der indirekte Ansatz: verdeckte Einlagen und gerichtliche Anerkennung

Die Praxis zeigt, dass die Realität manchmal vom zuvor beschriebenen Idealverlauf der Dinge abweicht. Einige Unternehmen versäumen es, Beiträge auf ein spezielles KER-Konto zu überweisen, und nehmen sie versehentlich in die Gewinnvortrag oder andere Eigenkapitalpositionen auf. Andere Situationen führen zu dem, was die ESTV als verdeckte Kapitaleinlagen bzw. verdeckte Beiträge an das Eigenkapital bezeichnet, typischerweise in Fällen der Unterbewertung von eingebrachten Vermögenswerten oder der Übernahme oder Verzichtserklärung von Gesellschafterverbindlichkeiten, die nicht verbucht werden.

Nach der Verwaltungspraxis kann eine Einlage, die weder ordnungsgemäss ausgewiesen noch deklariert ist, nicht als KER anerkannt werden. Ihre Rückzahlung wird daher als gewöhnliche Ausschüttung behandelt, die einer Verrechnungssteuer von 35% und einer Einkommens- oder Gewinnsteuern für den Empfänger unterliegt. Eine blosse Ungenauigkeit in der Buchhaltung kann somit sowohl dem Unternehmen als auch seinen Aktionären einen erheblichen Steuernachteil bescheren.

Diese restriktive Haltung wurde jedoch vom Bundesgericht (BGer) gelockert, der bekräftigt hat, dass in bestimmten Fällen wirtschaftliche Fakten Vorrang vor Formalitäten haben sollen. Wenn die Absicht zur Stärkung des Eigenkapitals eindeutig feststeht und die Finanzströme schlüssig nachvollziehbar sind, akzeptiert das BGer, dass eine nicht deklarierte Einlage in bestimmten Fällen in KER umqualifiziert werden kann.

3. Wenn das Bundesgericht die Vorrangstellung der wirtschaftlichen Realität bekräftigt

Der BGer hat kürzlich die Verwaltungspraxis hinsichtlich der Anerkennung und Rückzahlung von KER durch zwei wegweisende Urteile präzisiert und gelockert, die eine bemerkenswerte Veränderung in der Schweizer Steuerlehre darstellen.

a) Urteil 149 II 158 (17. März 2023): Behandlung verdeckter Kapitaleinlagen im Rahmen der Einkommensteuer

In diesem Urteil hat das BGer wichtige Klarstellungen hinsichtlich der Behandlung von verdeckten Kapitaleinlagen bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft getroffen (wobei zu beachten ist, dass die ESTV beschlossen hat, die Anwendung dieser Entscheidung auf solche Liquidationsfälle zu beschränken). Das Gericht entschied, dass die Rückzahlung versteckter Kapitaleinlagen gemäss Art. 20 Abs. 3 DBG auch ohne gesonderte buchhalterische Erfassung nicht verrechnungssteuerpflichtig ist. Damit hob das Gericht die Buchhaltungsvorschrift von Art. 5 Abs. 1bis VSTG im Zusammenhang mit der Einkommensteuer auf.

Der Fall betraf eine Alleingesellschafterin, die durch mehrere Immobilientransaktionen und nicht verbuchte Schuldenübernahmen ihr Unternehmen indirekt finanziert hatte. Bei der Liquidation betrachteten die Steuerbehörden den Liquidationserlös als verdeckte Ausschüttung steuerpflichtiger Gewinne. Das Bundesgericht hingegen akzeptierte, dass es sich dabei um eine Rückzahlung einer verdeckten Kapitaleinlage handelte, die gemäss Art. 20 Abs. 3 DBG steuerfrei war.

Das Gericht betonte, dass weder der Wortlaut noch die Struktur des Gesetzes eine formelle buchhalterische Erfassung erfordern, um eine Kapitaleinlage auf Aktionärsebene festzustellen. Darüber hinaus sollte das Schweizer Steuerrecht die Aktionäre von schweizerischen Unternehmen nicht gegenüber denen ausländischer Unternehmen benachteiligen, für die die ESTV wirtschaftliche statt buchhalterischer Nachweise akzeptiert. Folglich hängt die Anerkennung versteckter Einlagen eher von der wirtschaftlichen Substanz als vom formalen Buchhaltungsformalismus ab.

Das Gericht stellte jedoch klar, dass diese Auslegung keinen Einfluss auf die Praxis bei der Verrechnungssteuer hat, für die die in Art. 5 Abs. 1bis VSTG festgelegten Buchhaltungsanforderungen weiterhin uneingeschränkt gelten. Mit anderen Worten: Während die Rückzahlung von der Einkommensteuer befreit sein kann, unterliegt die entsprechende Behandlung für Quellensteuerzwecke weiterhin strengen formalen Anforderungen. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass die Beweislast beim Aktionär liegt, der sowohl das Vorliegen als auch die Höhe der verdeckten Einlage nachweisen muss, beispielsweise durch eine Abrechnung der Emissionsabgabe. Die ESTV betont auch, dass eine vollständige und genaue Deklaration nach wie vor unerlässlich ist, um die ordnungsgemässe Rückerstattung der Verrechnungssteuer und die korrekte Zuordnung der Einkünfte zu gewährleisten.

b) Urteil 9C_690/2023 (21. März 2025)

In diesem Fall hatte ein Schweizer Unternehmen eine beträchtliche Immobilienerbschaft erhalten, die zunächst unter Gewinnvortrag verbucht und Jahre später in ein Unterkonto „Kapitaleinlage-Reserve” umqualifiziert wurde. Das BGer entschied, dass eine solche Umqualifikation zulässig ist, sofern sie dem Rechnungslegungsrecht entspricht und von der Generalversammlung formell genehmigt wird. Diese Umbuchung nimmt der Transaktion ihren steuerneutralen Charakter nicht. Das Gericht kritisierte auch übertriebenen Formalismus: Zwar bleibt die Meldung eine Voraussetzung für die Befreiung von der Quellensteuer, doch gibt es keine restriktive gesetzliche Frist von 30 Tagen im Gesetz. 

Um jedoch die Verrechnungssteuer auf eine Ausschüttung zu vermeiden, müssen die formellen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausschüttung selbst erfüllt sein. Eine verspätete Meldung oder Umgliederung hebt die bereits fällige Verrechnungssteuerforderung nicht rückwirkend auf.

Diese beiden Entscheidungen spiegeln eine willkommene Entwicklung in der Rechtsprechung wider, die das Gleichgewicht zwischen restriktiver administrativer Auslegung und der wirtschaftlichen Realität wiederherstellt. Indem es den Inhalt über die Form stellt, bekräftigt das Bundesgericht, dass das Steuerrecht die Realwirtschaft unterstützen und nicht durch übertriebenen Formalismus einschränken muss. 

Dies ist für Unternehmer und Praktiker erfreulich, aber auch ein Aufruf zur Vorsicht: Es ist nach wie vor vorteilhaft, Einlagen vorgängig richtig zu verbuchen, zu dokumentieren und zu deklarieren, als sich nachträglich auf die Nachsicht eines Richters berufen zu müssen.

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