Tomasz BEGER
Tax Partner bei RSM Poland

Die Die Organisation fuer wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte lang erwartete Leitlinien zu den Verrechnungspreisfolgen der COVID-19-Pandemie (im Weiteren: Leitlinien). Sie enthalten Kommentare und Erlaeuterungen, die von den Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen bei der Beurteilung der Umsetzung der Verrechnungspreispolitik angesichts der besonderen wirtschaftlichen Bedingungen aufgrund der COVID-19-Pandemie beruecksichtigt werden sollen.

Die OECD-Leitlinien konzentrieren sich auf vier Fragen:

  1. Vergleichbarkeitsanalysen;
  2. Verluste und Aufteilung der COVID-19-spezifischen Kosten;
  3. Staatliche Hilfsprogramme;
  4. Vorabverstaendigungen ueber die Verrechnungspreise (APA).
     

Unten fassen wir kurz die wichtigsten, in den Leitlinien angesprochenen Fragen zusammen.

Vergleichbarkeitsanalysen

Das erste und wichtigste Thema der Leitlinien ist die Notwendigkeit der Durchfuehrung von Vergleichbarkeitsanalysen fuer konzerninterne Geschaeftsvorfaelle beim Fehlen der verlaesslichen und objektiven Vergleichbarkeitsdaten, welche die durch die COVID-19-Pandemie bewirkten wirtschaftlichen Bedingungen beruecksichtigen.

Die Leitlinien machen darauf aufmerksam, dass die Verlaesslichkeit der historischen Daten fuer die Durchfuehrung von Vergleichbarkeitsanalysen begrenzt sein kann, insbesondere bei der Anwendung der geschaeftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode. Wird der Preis fuer die Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen jaehrlich bestimmt, sollte die Vergleichbarkeitsanalyse fuer das Jahr 2020 durchgefuehrt werden. Gemaeß den Leitlinien soll man die Vergleichsunternehmen, die Verluste verzeichnen, nicht automatisch ausschließen, wenn sie den Vergleichbarkeitskriterien genuegen. Bei der Durchfuehrung einer Vergleichbarkeitsanalyse fuer das Jahr 2020 kann es naemlich angemessen sein, die Unternehmen, die Verluste verzeichnen, zu beruecksichtigen, falls z.B. Vergleichsdaten aehnlich hohes Risiko aufweisen und in aehnlichem Maße durch die Pandemie beeinflusst wurden. Fuer  konzerninterne Vereinbarungen, mit denen fuer fuenf Jahre ein fester Ertrag bestimmt wurde, kann es nicht nötig sein, die Aktualisierung der Vergleichbarkeitsanalyse durchzufuehren, sofern die festgelegten Gegebenheiten und Umstaende der konzerninternen Geschaeftsvorfaelle unveraendert sind.

Bei der Erstellung der Vergleichbarkeitsanalysen fuer das Jahr 2020 werden interne Daten sowie die von dem Steuerpflichtigen mit den fremden Dritten abgeschlossenen Transaktionen besonders hilfreich sein, denn diese Informationen sind am aktuellsten und widerspiegeln real die Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf die Finanz- und Ertragslage.

Aufgrund der zeitlichen Verzögerung zwischen dem Auftreten der konzerninternen Geschaeftsvorfaelle und der Verfuegbarkeit der Informationen ueber Geschaeftsvorfaelle zwischen den fremden Dritten empfiehlt es sich, die vernuenftigen kaufmaennischen Argumente zu nutzen, mit denen die Auswirkung der Pandemie auf das Marktumfeld beschrieben wird. Gemaeß den Leitlinien sollen die Steuerpflichtigen beim fehlenden Zugang zu vergleichbaren Daten die Möglichkeit haben, die öffentlich zugaenglichen Informationen ueber den Einfluss der Pandemie auf die Transaktionen zwischen fremden Dritten, darunter z.B. makroökonomische Daten, die Abschluesse (Quartalabschluesse, Jahresabschluesse) zu nutzen. Darueber hinaus kann der Vergleich der angenommenen Finanzergebnisse mit den tatsaechlich erzielten Ergebnissen bei der Beurteilung der Auswirkung der Pandemie auf die Finanzlage des Steuerpflichtigen (z.B. Senkung des Ertrags, Steigerung des Aufwands, Rueckgang der Rentabilitaet) behilflich sein. Es ist jedoch z betonen, dass der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die Nachweise fuer die tatsaechliche Auswirkung der Pandemie auf seine Finanzlage vorzulegen.

Darueber hinaus wird auf die Möglichkeit des Preisanpassungsmechanismus hingewiesen, der auf der Anpassung des Preises zwischen verbundenen Unternehmen ex post, durch die Beruecksichtigung der bereits nach Ende des Jahres verfuegbaren Daten und Vornahme der entsprechenden Preisanpassung beruht, so dass der Preis dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen wird. Nach den Leitlinien kann fuer die Bestaetigung, dass der Preis bei einem konzerninternen Geschaeftsvorfall zu den Marktbedingungen bestimmt wurde, die Verwendung mehr als einer Verrechnungspreismethode behilflich sein, jedoch ist das nicht notwendig.

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Verluste und Aufteilung der COVID-19-spezifischen Kosten

Ein weiteres Thema der Leitlinien sind Verluste und spezifische Kosten aufgrund der COVID-19-Pandemie. Die Analyse des Risikos, das von den Transaktionspartnern getragen wird, beeinflusst die Art und Weise, auf welche sich die Gewinne und Verluste auf den Preis einer Transaktion zu Marktbedingungen auswirken. Außergewöhnliche, einmalige Betriebskosten sollen zwischen verbundenen Unternehmen so aufgeteilt werden, wie es unabhaengige Unternehmen tun wuerden.

Es ist nicht möglich, nur einen Grundsatz festzulegen, der bestimmen wuerde, ob risikoarme Unternehmen Verluste erleiden können, denn in der Praxis ueben sie unterschiedliche  Funktionen aus, nutzen andere Wirtschaftsgueter und uebernehmen unterschiedliche Risiken. Erleidet ein risiko- und funktionsarmes Unternehmen einen Verlust, dann muss es beweisen, dass sich der erlittene Verlust aus der Funktionsanalyse ergibt bzw. mit der negativen Auswirkung der COVID-19-Pandemie eng zusammenhaengt. Darueber hinaus ist die Situation, wo das verbundene Unternehmen erst waehrend der Pandemie die Risiken uebernahm, die von ihm vor der Pandemie nicht uebernommen wurden, in Bezug auf die neue Aufteilung des Risikos und darauf zu analysieren, ob diese Situation mit der Umstrukturierung der Taetigkeit (aenderung des Funktionsprofils) nicht verbunden ist.

Bei der Erstellung der Vergleichbarkeitsanalyse kann es notwendig sein, zu pruefen, wie durch COVID-19 bedingte außergewöhnliche Kosten beruecksichtigt werden sollen. Grundsaetzlich sollten außergewöhnliche Kosten aus dem Nettogewinnindikator ausgeklammert werden, es sein denn, sie beziehen sich auf einen praezise genannten konzerninternen Geschaeftsvorfall. Zweitens ist zu pruefen, ob die Kostenbasis die außergewöhnlichen Kosten, die als mit dem konzerninternen Geschaeftsvorfall verbunden betrachtet werden, einschließen oder ausschließen sollte. Drittens ist zu pruefen, ob es notwendig sein wird, die Anpassungen vorzunehmen, die die Folgen unterschiedlicher Rechnungslegungsmethoden beseitigen, damit die außergewöhnlichen Kosten als betriebliche oder  nichtbetriebliche Posten verbucht werden können. Die Steuerpflichtigen bleiben jedoch ohne Antwort, wie sie in der Praxis die mit der Erfassung von außergewöhnlichen Kosten zusammenhaengenden Buchungsdaten zuverlaessig korrigieren sollen.

Staatliche Hilfsprogramme

Viele Staaten haben den Steuerpflichtigen die staatlichen Hilfen sichergestellt, die die negativen Folgen der COVID-19-Pandemie im Rahmen verschiedener Hilfsprogramme reduzieren sollten. In diesem Zusammenhang sind bei der Bestimmung der Bedingungen von konzerninternen Geschaeftsvorfaellen die Grundsaetze und Bedingungen der Hilfegewaehrung zu pruefen, weil sich die staatlichen Hilfsprogramme auf die Verrechnungspreise wesentlich auswirken können. Insbesondere ist zu pruefen, ob der Empfang von Staatshilfen dem Empfaenger einen Marktvorteil verschafft, in welchem Maße die Vorteile der Staatshilfen auf unabhaengige Kunden bzw. Zulieferer uebertragen werden, auf welche Weise die unter aehnlichen Umstaenden taetigen unabhaengigen Unternehmen solche Vorteile untereinander aufteilen wuerden.

Die staatliche Unterstuetzung soll bei der Wahl der potentiellen vergleichbaren Unternehmen beruecksichtigt werden. Es bleibt jedoch die Frage, wie in der Praxis die eventuellen Vergleichbarkeitsanpassungen durchgefuehrt werden sollen, die die Zuverlaessigkeit der vergleichbaren Daten erhöhen, indem man die Unterschiede in den gewaehrten staatlichen Hilfen sowie ihre eventuelle unterschiedliche Erfassung in den Buechern in Betracht zieht, die den Einfluss auf die analysierten Finanzdaten hat.

Vorabverstaendigungen ueber die Verrechnungspreise (APA)

Das letzte Thema der Leitlinien ist die Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf die Vorabverstaendigungen ueber die Verrechnungspreise. Grundsaetzlich sollen Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen die getroffenen Vorabverstaendigungen einhalten und wahren, es sein denn, es trat ein kritischer Umstand ein, der zur Aufhebung oder aenderung der APA fuehrt. Ob eine Nichterfuellung einer Gueltigkeitsbedingung vorliegt, soll im Einzelfall individuell unter Beruecksichtigung der konkreten Verhaeltnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen und des Geschaeftsumfelds analysiert werden. Die Leitlinien sehen vor, dass im Falle der Nichterfuellung von Gueltigkeitsbedingungen der APA die Vorabverstaendigung geaendert, aufgehoben oder widerrufen werden kann.

Die Steuerpflichtigen sollen die zustaendige Steuerverwaltung ueber die durch COVID-19-Pandemie bewirkten Veraenderungen so bald wie möglich informieren, jedoch kann die jeweilige Steuerverwaltung erwaegen, einige Zeit abzuwarten, bis bestaetigte Daten und Informationen ueber die Folgen der COVID-19-Pandemie fuer die Taetigkeit des Steuerpflichtigen verfuegbar sind.

Zusammenfassung

Die durch OECD veröffentlichten Leitlinien sollten den Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen Erlaeuterungen und praktische Hinweise fuer die Anwendung des Preisvergleichsgrundsatzes bei den konzerninternen Geschaeftsvorfaellen in der beispiellosen Wirtschaftslage aufgrund der COVID-19-Pandemie liefern. Ist es tatsaechlich so? Einerseits sind in den Leitlinien bestimmte Gebiete genannt, die von den Steuerpflichtigen besonders zu beachten sind und in Bezug auf welche die Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf die Taetigkeit und Finanzlage des Steuerpflichtigen und somit ihre Auswirkung auf die Geschaeftsvorfaelle mit verbundenen Unternehmen gruendlich zu analysieren ist. Andererseits aber gibt es keine sachlichen, klaren und transparenten Hinweise, wie man die in den OECD-Leitlinien enthaltenen Empfehlungen in der Praxis anwenden soll, z.B. die Vergleichbarkeit anpassen, um die Vergleichbarkeit der Vergleichbarkeitsanalysen zu steigern, von den Vergleichbarkeitsdaten die Differenzen aufgrund unterschiedlicher Rechnungslegungsmethoden beseitigen, die mit der Erfassung von außergewöhnlichen Kosten oder mit den staatlichen Hilfsprogrammen zusammenhaengen.

Wenn jemand hoffte, in den Leitlinien fertige Lösungen und Antworten betreffend die Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf Verrechnungspreise zu finden, wird bestimmt enttaeuscht sein. Wie ist ihrem Namen zu entnehmen, enthalten die Leitlinien ausschließlich bestimmte Hinweise und Empfehlungen und nicht Lösungen.

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