Paulina PRUSIK
Audit Assistant bei RSM Poland

Als eine der Folgen der Anwendung des Vorsichtsprinzips und Realisationsprinzips gilt die Bildung von Rueckstellungen und Angabe von Eventualverbindlichkeiten. In der Praxis rufen diese Bereiche aufgrund der Gefahr des Subjektivismus viele Kontroversen hervor, der fuer die unter den ungewissen Bedingungen getroffenen Entscheidungen charakteristisch ist.​

In diesem Beitrag möchte ich problematische Fragen betreffend die Verbindlichkeitsrueckstellungen, passive Rechnungsabrechnungsposten und Eventualverbindlichkeiten nach IAS 37 darstellen.

Gemaeß diesem Standard gelten Rueckstellungen als eine besondere Art von Verpflichtungen, deren Höhe oder Faelligkeit ungewiss ist. Nach IAS 37 sind Rueckstellungen Verbindlichkeiten und sie muessen als Bilanzposten die Eigenschaften der Verbindlichkeiten aufweisen. Darueber hinaus wird eine Rueckstellung nur dann gebildet, wenn alle vorgenannten Voraussetzungen erfuellt sind:

  • das Unternehmen hat aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwaertige Verpflichtung (rechtlich oder faktisch), eine Geldaufwendung zu tragen.
  • der Ressourcenabfluss beim Unternehmen ist wahrscheinlich, um diese Verpflichtung zu erfuellen,
  • die Höhe der Verpflichtung kann zuverlaessig geschaetzt werden.

Gemaeß diesem Standard soll der Stand der durch das Unternehmen gebildeten Rueckstellungen zu jedem Bilanzstichtag ueberprueft und korrigiert werden. Falls nicht mehr wahrscheinlich ist, dass der Abfluss der Ressourcen notwendig sein wird, um die Verpflichtung zu erfuellen, soll das Unternehmen die gebildete Rueckstellung auflösen. Gemaeß IAS 37 kann man eine Rueckstellung fuer den Aufwand mit solch einer Verwendung nutzen, fuer welche sie urspruenglich gebildet wurde.

Eventualereignisse im Jahresabschluss

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Verbindlichkeiten in diejenigen geteilt werden, die in der Bilanz erfasst werden (darunter Rueckstellungen) sowie in diejenigen, die dort nicht ausgewiesen und als Eventualverbindlichkeiten bezeichnet werden. Die Informationen ueber Eventualverbindlichkeiten sind in der Zusaetzlichen Information enthalten.

PRueFUNG DER RECHNUNGSFueHRUNG
Haben Sie Zweifeln daran, ob die Informationen, welche Sie von der Buchhaltungsabteilung erhalten, zuverlaessig sind?
MEHR

Um die Begriffe Rueckstellungen  und Eventualverbindlichkeiten besser zu schildern, analysieren wir die folgende Situation:

Beispiel:

In dem Herstellungsunternehmen „ALFA” sind 20 Mitarbeiter beschaeftigt – alle Vollzeit und aufgrund des Arbeitsvertrags. Ihr Arbeitsentgelt wird bis 10. Tag des Folgemonats ausgezahlt.

Zum Bilanzstichtag muss die Buchhalterin dieses Unternehmens feststellen, ob es notwendig ist, die Rueckstellungen oder Eventualverbindlichkeiten aufgrund der Beschaeftigung der Mitarbeiter zu bilden. Nehmen wir die folgenden Bestandteile von Verbindlichkeiten unter die Lupe:

  1. nicht ausgezahlte Löhne und Gehaelter gelten als Verbindlichkeiten des Unternehmens  – die Pflicht zu ihrer Zahlung, ihr Betrag und Faelligkeit sind gewiss.
  2. Die Unternehmenspolitik setzt die Zahlung der hohen Pensionsabfindungen an Mitarbeiter voraus. Die Buchhalterin soll also eine Rueckstellung fuer Pensionsabfindungen bilden, denn es ist eine zukuenftige Verpflichtung, die aus den vergangenen Ereignissen resultiert, obwohl ihr Betrag und Faelligkeit ungewiss sind.
  3. Darueber hinaus muss der Arbeitgeber den Mitarbeitern im Falle ihrer Beschaeftigung aufgrund des Arbeitsvertrags die entsprechende Anzahl von Urlaubstagen gewaehren bzw. ihnen eine Urlaubsabgeltung zahlen. Da die Dienstleistung (Arbeit des Mitarbeiters) erbracht wurde und der Mitarbeiter alle ihm zustehenden Urlaubstage bis Ende des Geschaeftsjahres in Anspruch nicht genommen hat, soll die Buchhalterin eine Urlaubsrueckstellung bilden. Die ausstehenden Urlaubstage sind ein Bestandteil der Verbindlichkeit, jedoch anders als eine typische Rueckstellung, auf Englisch heißt sie accrual – im Unterschied zu Rueckstellungen ist naemlich ihr Betrag berechenbar und die Ungewissheit ihrer Auszahlung ist auch viel geringer als im Falle von Rueckstellungen.

Zurueck zu dem Beispiel: in dem laufenden Jahr klagte einer der Mitarbeiter gegen die Gesellschaft wegen Schadensersatz i.H. v. 50.000 PLN aus einer ungerechtfertigten Kuendigung. Die Gesellschaft fragte den Juristen, wie er die Wahrscheinlichkeit des Gewinns dieses Rechtsstreits durch die Gesellschaft schaetzt.

Wie soll die Gesellschaft das Risiko in dem Jahresabschluss darstellen?

Variante I: Der Jurist und die Geschaeftsfuehrung von „ALFA” beurteilten, dass das Subjekt höchst wahrscheinlich diesen Rechtsstreit gewinnt.

  • Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Gesellschaft „ALFA” den Rechtsstreit gewinnt und den gerichtlich geltend gemachten Anspruch nicht zu ersetzen braucht.
  • Die Höhe der eventuellen Kosten, welche die Gesellschaft beim Verlust dieses Rechtsstreits zu tragen haette, kann zuverlaessig geschaetzt werden.

Entscheidung:

Die Hauptbuchhalterin des Subjekts „ALFA” soll in der Zusaetzlichen Information eine Eventualverbindlichkeit i.H. v. Entschaedigungskosten angeben, denn die Wahrscheinlichkeit des Gewinns des Rechtsstreits wurde als höher und nicht als geringer bestimmt. Die Verbindlichkeit wird aus kuenftigen Ereignissen resultieren – falls die gerichtliche Entscheidung fuer die Gesellschaft unguenstig sein wird, wird die Eventualverbindlichkeit in eine Verbindlichkeit sensu stricto umgewandelt (und in der Bilanz erfasst).

Variante II: Der Jurist und die Geschaeftsfuehrung von „ALFA” beurteilten, dass das Subjekt höchst wahrscheinlich diesen Rechtsstreit verliert.

  • Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Gesellschaft „ALFA” den Rechtsstreit verliert und den gerichtlich geltend gemachten Anspruch ersetzen werden muss.
  • Der Rueckstellungsbetrag kann zuverlaessig geschaetzt werden.
  • Die Verbindlichkeit resultiert aus vergangenen Ereignissen (ungerechtfertigte Kuendigung).

Entscheidung:

Die Hauptbuchhalterin des Subjekts „ALFA” soll ueber die Bildung einer Rueckstellung von 50.000 PLN fuer den Anspruchsbetrag entscheiden.

Variante II – kuenftige Folgen:

  • Im Falle des Verlusts des Rechtsstreits in der Zukunft ist das Subjekt verpflichtet, die Verfahrenskosten zu decken.
  • Faelligkeit und Betrag der eventuellen Verbindlichkeit werden gewiss sein.

Entscheidung:

Zum Zeitpunkt der Beendigung der gerichtlichen Verhandlung soll die Hauptbuchhalterin des Subjekts „ALFA” die Verbindlichkeiten in Höhe der Kosten angeben, die aus dem gerichtlichen Urteil resultieren.

Es ist auch zu beachten, dass mit diesem Standard nicht nur die Rueckstellungen von den Eventualverbindlichkeiten getrennt wurden, sondern auch zwischen den Rueckstellungen und anderen Verbindlichkeiten wie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen oder passive Rechnungsabgrenzungsposten unterschieden wurde. Im Gegensatz zu den Rueckstellungen sind:

  • Handelsverbindlichkeiten die fuer die Waren und sonstige Leistungen, die geliefert/erbracht und in Rechnung gestellt bzw. formell mit dem Zulieferer vereinbart wurden, zu zahlenden Verbindlichkeiten ,
  • passive Rechnungsabgrenzungsposten, umgangssprachlich als „accruals” genannt, die fuer die Waren und sonstige Leistungen, die zwar geliefert/erbracht, aber nicht bezahlt, in Rechnung gestellt oder formell mit dem Zulieferer vereinbart wurden, zu zahlenden Verbindlichkeiten samt den Mitarbeitern zustehenden Betraegen.

Darueber hinaus sind die „accruals” teilweise unter Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen bzw. unter sonstigen Verbindlichkeiten auszuweisen, waehrend die Rueckstellungen getrennt ausgewiesen werden.

Die Beziehungen zwischen den Verbindlichkeiten sensu stricto, Rueckstellungen, accruals und Eventualverbindlichkeiten nach IAS 37 sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

 

Handels-
verbindlichkeiten

Accruals

Rueck-
stellungen

Eventual-
verbindlichkeit

Art der Verbindlichkeit

vorhanden (gegenwaertig)

vorhanden (gegenwaertig)

kuenftig

kuenftig

Zu begleichender Betrag

gewiss

fast gewiss

ungewiss

ungewiss

Faelligkeit

gewiss

fast gewiss

ungewiss

ungewiss

resultierend aus kuenftigen Ereignissen

nein

nein

nein

ja

resultierend aus vergangenen Ereignissen

ja

ja

ja

nein

 

Rueckstellungen und Verbindlichkeiten in der Bilanz – Analyse des Experten

Man sieht also, dass die Wirtschaftssubjekte gezwungen sind, die jeweilige Situation gruendlich zu analysieren, falls sie das Risiko und die Unsicherheit in dem Jahresabschluss beruecksichtigen möchten. Da das Rechnungslegungsgesetz nur allgemeine Informationen dazu enthaelt, lohnt es sich, einen Blick auf IAS 37 zu werfen, wo dieses Thema naeher beschrieben wurde. Machen Sie sich mit unseren anderen Beitraegen zu der (internationalen) Rechnungslegung vertraut und bei eventuellen Fragen kontaktieren Sie unsere Experten.

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