Aleksandra SYSIAK
Audit Senior bei RSM Poland

In dem vorigen Artikel praesentierten wir den ersten Schritt in dem Modell fuer Erlöserfassung, d.h. die Identifizierung des Vertrags. IFRS 15 sieht vor, dass die Erlöse zum Zeitpunkt der Erfuellung von Leistungsverpflichtungen erfasst werden. Deswegen hat das Unternehmen zuerst die in dem Vertrag enthaltenen Verpflichtungen zu benennen, was als zweiter Schritt in dem neuen Modell fuer Erlöserfassung gilt. In diesem Beitrag konzentrieren wir uns auf dieses Thema.

Bei der Besprechung des zweiten Schritts des vorgenannten Modells ist der Begriff der Leistungsverpflichtungen von Bedeutung.

Leistungsverpflichtung

(performance obligation)

abgrenzbare Ware oder Dienstleistung

(distinct)

eine Reihe von eigenstaendigen Waren oder Dienstleistungen, die im Wesentlichen gleich sind und das gleiche uebertragungsmuster an den Kunden aufweisen

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt das Unternehmen die Waren und Dienstleistungen und es identifiziert als Leistungsverpflichtung jede Zusage, die abgrenzbare Ware oder Dienstleistung (bzw. ihr Buendel) oder eine Reihe von eigenstaendigen Waren oder Dienstleistungen, die im Wesentlichen gleich sind und das gleiche uebertragungsmuster an den Kunden aufweisen, an den Kunden zu uebertragen. Zu erwaehnen ist, dass die Leistungsverpflichtungen keine Handlungen umfassen, die ein Unternehmen zwecks Vertragserfuellung vorzunehmen hat, es sei denn, diese Handlungen gelten als uebergabe der Ware oder Dienstleistungen an den Kunden. Mit anderen Worten: es gibt keine Leistungsverpflichtung, z.B. in Bezug auf Verwaltungsaktivitaeten, Vorbereitung des Vertrags u.dgl., falls keine Ware bzw. Dienstleistung uebergeben wurde.

PRueFUNG DER RECHNUNGSFueHRUNG 

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Eigenstaendige Waren oder Dienstleistungen

Um die Leistungsverpflichtungen richtig zu bestimmen, ist es unabdingbar, die eigenstaendigen Waren oder Dienstleistungen entsprechend zu identifizieren. Unten wurde ein Schema mit der bestimmten Vorgehensweise zur Identifizierung der Eigenstaendigkeit von Waren oder Dienstleistungen gemaeß IFRS 15 dargestellt:

Wurden in dem Vertrag viele Waren oder Dienstleistungen enthalten?

NEIN

DAS IST EINE EIGENSTaeNDIGE WARE ODER DIENSTLEISTUNG

JA

 

 

Kann der Kunde aus der Ware oder Dienstleistung direkt oder im Zusammenspiel mit anderen, ihm leicht verfuegbaren Ressourcen einen Nutzen ziehen?

NEIN

ES IST KEINE EIGENSTaeNDIGE WARE ODER DIENSTLEISTUNG

In diesem Fall fasst das Unternehmen die zugesagten Waren oder Dienstleistungen mit anderen zugesagten Waren oder Dienstleistungen so lange zusammen, bis es möglich sein wird, solch ein Buendel von Waren oder Dienstleistungen als eigenstaendig zu behandeln.

JA

 

 

Laesst sich die Verpflichtung des Unternehmens zur uebergabe einer Ware oder Dienstleistung an den Kunden im Verhaeltnis zu anderen im Vertrag genannten Verpflichtungen als eigenstaendig identifizieren?

NEIN

ES IST KEINE EIGENSTaeNDIGE WARE ODER DIENSTLEISTUNG

In diesem Fall fasst das Unternehmen die zugesagten Waren oder Dienstleistungen mit anderen zugesagten Waren oder Dienstleistungen so lange zusammen, bis es möglich sein wird, solch ein Buendel von Waren oder Dienstleistungen als eigenstaendig zu behandeln.

JA

 

 

DAS IST EINE EIGENSTaeNDIGE WARE ODER DIENSTLEISTUNG

 

 

Ein Kunde kann von der jeweiligen Ware bzw. Dienstleistung Nutzen ziehen, falls diese Waren oder Dienstleistungen von ihm genutzt, verbraucht, veraeußert gegen einen den Liquidationswert uebersteigenden Betrag bzw. auf eine die wirtschaftlichen Nutzen bringende Weise aufbewahrt werden können.

Faktoren, die darauf hinweisen, dass die Verpflichtung des Unternehmens zur uebertragung der Ware oder Dienstleistung an den Kunden als eigenstaendig abgrenzbar identifiziert werden kann, umfassen u.a. folgende Umstaende: 

  • das Unternehmen erbringt keine bedeutende Leistungen, die auf der Zusammenfassung oder Verbindung der zugesagten Waren oder Dienstleistungen mit anderen im Vertrag zugesagten Waren oder Dienstleistungen in Buendel beruhen, das nach dieser Zusammenfassung bzw. Verbindung den Gegenstand des mit dem Kunden abgeschlossenen Vertrags bildet,
  • mit der Ware oder Dienstleistung werden andere im Vertrag zugesagte Waren oder Dienstleistungen weder wesentlich geaendert noch angepasst,
  • die zugesagten Waren oder Dienstleistungen haengen von anderen im Vertrag zugesagten Waren oder Dienstleistungen nicht wesentlich ab bzw. stehen in keiner Wechselbeziehung mit diesen.

BEISPIEL 1

Ein Unternehmen beschaeftigt sich mit der Errichtung und einer Innendekoration von Bueroraeumen im weiteren Sinne. Seine Dienstleistungen umfassen u.a. die Erstellung von Projekten und Plaenen in Papierform, Einholung von erforderlichen Genehmigungen, Einkauf von Grundstuecken im Namen des Kunden, vollstaendige oder teilweise Errichtung samt Innenausstattung und Bauberatung. Jeder Vertrag wird je nach Kundenbeduerfnissen individuell abgeschlossen. 

Zurzeit fuehrt das Unternehmen einen Vertrag durch, der die Fertigstellung eines Bueros fuer einen seiner Kunden vorsieht. Der Vertrag umfasst die Gewinnung einer Immobilie fuer Sanierung, Einholung von erforderlichen Genehmigungen, Erstellung eines Projekts fuer Innendekoration und dessen vollstaendige Durchfuehrung sowie Innenausstattung des Bueros.

Sind die im Vertrag genannten Waren und Dienstleistungen getrennt zu behandeln?

Da das erste Kriterium erfuellt wurde (d.h. im Vertrag viele Waren oder Dienstleistungen enthalten wurden), gibt es die Voraussetzungen, welche auf die Eigenstaendigkeit der einzelnen Waren oder Dienstleistungen hinweisen, weil der Kunde die Nutzen aus den ihm laufend uebergebenen Waren oder Dienstleistungen (z.B. aus der vor der Sanierung gekauften Immobilie, den Baustoffen, der Fertigstellung der Elemente der Innendekoration) ziehen könnte. Darueber hinaus bietet das Unternehmen die vorgenannten Waren und Dienstleistungen getrennt an.

Es ist jedoch auf die Tatsache hinzuweisen, dass alle diese Waren und Dienstleistungen im Rahmen dieses konkreten Vertrags nicht eigenstaendig sind. Die Aufgabe des Unternehmens beruht auf der uebergabe der fertigen Bueroraeume, die ein Endprodukt aller diesen Waren und Dienstleistungen sind. Wir haben also mit einer Situation zu tun, wo das Unternehmen bedeutende Leistungen erbringt, die auf der Zusammenfassung oder Verbindung der zugesagten Waren oder Dienstleistungen mit anderen im Vertrag zugesagten Waren oder Dienstleistungen in ein Buendel beruhen, das den Vertragsgegenstand bildet; mit den Waren oder der Dienstleistungen werden andere im Vertrag zugesagte Waren oder Dienstleistungen wesentlich geaendert oder angepasst; darueber hinaus haengen die zugesagten Waren oder Dienstleistungen von anderen im Vertrag zugesagten Waren oder Dienstleistungen wesentlich ab bzw. stehen in einer Wechselbeziehung mit diesen.

Aufgrund der vorgenannten Analyse sollen alle erbrachten Dienstleistungen und gelieferten Waren als eine Leistungsverpflichtung behandelt werden.

Wann ist der Verkauf tatsaechlich zu erfassen?

Gemaeß diesem Standard erfasst das Unternehmen die Erlöse zum Zeitpunkt der Erfuellung (bzw. waehrend der Erfuellung) seiner Leistungsverpflichtung durch die uebertragung der zugesagten Ware oder Dienstleistung an den Kunden. Die uebertragung der Waren oder Dienstleistungen erfolgt zum Zeitpunkt des uebergangs der Verfuegungsmacht darueber an den Kunden.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist das Unternehmen verpflichtet, fuer jede Leistungsverpflichtung zu bestimmen, ob es diese Verpflichtung ueber einen Zeitraum hinweg oder zu einem bestimmten Zeitpunkt erfuellen wird. Diese zwei Fragen werden bei Besprechung des fuenften Schritts des Modells naeher erlaeutert. Hier soll man sich merken, dass falls eine Verpflichtung nicht ueber einen Zeitraum hinweg erfuellt wird, dann nimmt man an, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt erfuellt wird. Die Verfuegungsmacht ueber den jeweiligen Vermögenswert umfasst dagegen die Faehigkeit zu verhindern, dass andere Subjekte ueber diesen Vermögenswert verfuegen, sowie Ziehen daraus Nutzen. Als Nutzen werden in dem Standard potenzielle Geldfluesse genannt, die u.a. auf folgende Weise generiert werden können:

  • durch Verwendung des Vermögenswerts zur Herstellung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen,
  • durch Verwendung des Vermögenswerts zur Steigerung des Werts anderer Vermögenswerte,
  • durch Verwendung des Vermögenswerts zur Begleichung von Schulden oder zur Minderung von Aufwendungen;
  • durch Veraeußerung oder Tausch des Vermögenswerts,
  • durch Verpfaendung des Vermögenswerts als Sicherheit fuer ein Darlehen,
  • durch Halten eines Vermögenswerts.

Nach der Erfuellung (bzw. waehrend der Erfuellung) der Leistungsverpflichtungen erfasst das Unternehmen als Erlös einen dem Transaktionspreis gleichen Betrag. Die Bestimmung dieses Preises ist dritter Schritt des Modells, der von uns bald thematisiert wird.

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