Piotr WYRWA
Tax Consultant bei RSM Poland

Der letzte Eintrag (lesen Sie hier: LINK) ueber die Steuerermaeßigung fuer Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit (im Weiteren „F&E-Steuerermaeßigung“) endete mit der Schlussfolgerung, dass trotz des liberalen Ansatzes der Finanzbehörden dazu, wodurch eine große Gruppe der Steuerpflichtigen diese Steuerermaeßigung in Anspruch nehmen kann, bedarf eine erfolgreiche Umsetzung der Steuerermaeßigung einer vertieften Analyse der Regelungen in diesem Bereich – vor allem in Bezug auf den Geschaeftsprofil des jeweiligen Steuerpflichtigen.

Ich nehme an, niemand wundert sich darueber, dass die Umsetzung der F&E-Steuerermaeßigung die Entstehung der neuen Gebiete fuer ein steuerliches Risiko bei den Steuerpflichtigen zur Folge hat. Eine der Methoden fuer Minderung dieses Risikos ist das Stellen des Antrags auf die Vergabe einer individuellen Interpretation. Natuerlich ist das kein Heilmittel gegen jedes Problem. Das Interpretationsverfahren tötete alleine nicht einmal den Steuerpflichtigen den Nerv und bewirkte bei den sie unterstuetzenden Steuerberatern starke Herzklopfen (mehr dazu schrieben wir hier: LINK). Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass ein erfolgreiches Stellen solch eines Antrags möglich und im Falle der an der F&E-Steuerermaeßigung interessierten Unternehmen sogar empfehlenswert ist.

Um einen Antrag auf die Vergabe einer individuellen Interpretation erfolgreich zu stellen, muss man zuerst die Gebiete identifizieren, wo das Interesse des Steuerpflichtigen mit dem Interesse des Fiskus zusammenstoßen. Diese Anhaltspunkte bestimmen grundsaetzlich die Fragen, die in dem Antrag zu stellen sind. Die Streitpunkte entstehen am haeufigsten dann, wenn die Vorschriften, welche die jeweilige Frage regeln, so unklar sind, dass sie auf zwei oder nicht selten auf sogar mehr verschiedene Weisen verstanden werden können. Die Risikogebiete entstehen auch dann, wenn die Finanzbehörden keinen einheitlichen Standpunkt in Bezug auf die Auslegung dieser Vorschriften ausarbeiten können. Mit einer (kleinen) Boshaftigkeit kann man feststellen, dass auch im Falle der F&E-Steuerermaeßigung die Autoren dieser Vorschriften nicht enttaeuschten und die Verwirrung zusaetzlich größer wurde, weil die Finanzbehörden aufgrund der zahlreichen Anfragen der Steuerpflichtigen einen Auslegungsversuch dieser Vorschriften vornahmen.

Zur Darstellung dieser Verwirrung nehmen wir als Beispiel die Möglichkeit fuer Einstufung als „förderfaehige Ausgaben” (d.h. Ausgaben, die Grundlage fuer Berechnung einer F&E-Steuerermaeßigung bilden) der Kosten, die fuer Löhne und Gehaelter sowie Arbeitnehmerbeitraege getragen werden. Der Gesetzgeber beschloss naemlich, dass als förderfaehige Ausgaben die Forderungen aus den in Art. 12 Abs. 1 des EStG-PL genannten Titeln sowie die Beitraege fuer diese Forderungen in dem Arbeitgeberanteil gelten, falls sich diese Forderungen und Beitraege auf die zur Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit angestellten Arbeitnehmer beziehen.

Aus dieser Vorschrift ergibt sich also unmittelbar, dass sich die Löhne und Gehaelter sowie Beitraege auf die zur Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit angestellten Arbeitnehmer beziehen muessen, damit sie als förderfaehige Ausgaben gelten. Der Gesetzgeber vergaß jedoch zu bestimmen, wie diese schluesselhafte Anforderung zu verstehen ist.

Bis vor kurzem ueberwog der Standpunkt der Finanzbehörden, nach welchem die Anstellung zur Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit jeweils aufgrund der Bestimmungen des Arbeitsvertrags erfolgen soll. Mit anderen Worten, die Behörden verlangten, damit in dem Arbeitsvertrag des jeweiligen Arbeitnehmers bestimmt wird, dass er zur Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit angestellt wurde – als ob eine entsprechend formulierte vertragliche Bestimmung eine einwirkende Kraft haben könnte, dass dieser Arbeitnehmer solche Taetigkeiten tatsaechlich ausueben wird.

Auf den ersten Blick sieht man, dass solch ein Ansatz zu restriktiv ist  – insbesondere fuehrt er zu den absurden Schlussfolgerungen, dass zweitrangige und ausschließlich formelle Aspekte wichtiger als tatsaechlicher Umfang der durch den jeweiligen Arbeitnehmer ausgeuebten Taetigkeiten sind (man sollte also sagen: form over substance). Dabei wird uebergangen, dass die Arbeitnehmer grundsaetzlich nicht an Positionen angestellte werden, die z.B. als Fachangestellte(r) fuer Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit bezeichnet werden, sondern an Positionen, welche marktuebliche Bezeichnungen tragen. Bei diesem Ansatz ist auch problematisch, dass ein Teil der Arbeitnehmer zur Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit noch vor der Einfuehrung der F&E-Steuerermaeßigung angestellt werden konnte, d.h. im Zeitraum vor dem Inkrafttreten der vorgenannten Vorschrift.

In diesem Zusammenhang empfehlen wir Ihnen, die mit den Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsvertraege zu ueberpruefen. Ist es nur aufgrund der Vertragsdaten (z. B. alleine der Bezeichnungen von Positionen) möglich, zu bestimmen, womit sich der jeweilige Arbeitnehmer genau beschaeftigt (z. B. mit welchen Forschungs- bzw. Entwicklungsprojekten, die durch Ihr Unternehmen durchgefuehrt werden)? Können also die Löhne und Gehaelter der Arbeitnehmer aufgrund der Bestimmungen des Arbeitsvertrags keine Grundlage fuer Berechnung der F&E-Steuerermaeßigung bilden, obwohl diese Arbeitnehmer die Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit tatsaechlich durchfuehren?

Wie bereits erwaehnt, gewinnt im Falle der F&E-Steuerermaeßigung die jeweilige Vorgehensweise der Finanzbehörden an Bedeutung. Mit einem gewissen Optimismus kann man feststellen, dass zuletzt die ersten Anzeichen der Liberalisierung des Ansatzes der Finanzbehörden in Bezug auf die Auslegung der Anforderung fuer Anstellung eines Arbeitnehmers „zur” Durchfuehrung der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit erkennbar wurden. Dieser Ansatz laesst naemlich die Beteiligung des Arbeitnehmers an solch einer Taetigkeit nicht ausschließlich aufgrund der Bestimmungen des Arbeitsvertrags zu, vorausgesetzt dass die Durchfuehrung dieser Taetigkeit auf eine andere Weise nachgewiesen werden kann. Dieser Ansatz ist richtig, denn die F&E-Steuerermaeßigung gilt fuer Kosten, die tatsaechlich mit der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit zusammenhaengen und nicht fuer Ausgaben, die dieser Taetigkeit nur aufgrund der formellen Bestimmungen des Arbeitsvertrags zugeordnet werden. Ein relevanter Bestandteil solch einer Dokumentation soll die Arbeitszeiterfassung des Arbeitnehmers sein. Gerade diese, wenn zuverlaessig gefuehrt, laesst ueberpruefen, womit sich der jeweilige Arbeitnehmer tatsaechlich befasst.

Solch eine Bemerkung – wie es in unserer Steuerwelt vorkommt – fuehrt natuerlich zu einem weiteren Problem. Ergibt sich aus der Arbeitszeiterfassung, dass der jeweilige Arbeitnehmer nur einen Teil seiner Arbeitszeit der Forschungs- und Entwicklungstaetigkeit widmet, sollten dann als förderfaehige Ausgaben gesamte, teilweise oder vielleicht gar keine Lohn- und Gehaltskosten sowie Beitragskosten gelten? Wir versuchen, diese Frage bald in unserem Blog zu beantworten...