Przemysław POWIERZA
Tax Partner bei RSM Poland

Ab 1. Januar 2020 werden die einheitlichen Grundsaetze fuer Dokumentierung des Warenverkehrs zwischen den Gemeinschaftslaendern im Rahmen der innergemeinschaftlichen Lieferung (igL) in der ganzen Europaeischen Union (UE) gelten.

Anfang Oktober 2018 wurden durch den Rat "Wirtschaft und Finanzen" die Entwuerfe der Rechtsakte angenommen, mit denen die vorlaeufigen Lösungen (sog. Quick Fixes) fuer Abrechnung von grenzueberschreitenden Umsaetzen in der Europaeischen Union eingefuehrt werden. Sie sind ab 1. Januar 2020 bis zum Zeitpunkt der Einfuehrung des endgueltigen, neuen Mehrwertsteuersystems anzuwenden. Neben der aenderung betreffend die Reihengeschaefte, die in dem vorigen Beitrag (Teil 3) thematisiert wurde, beruht eine weitere wichtige aenderung im Rahmen der sog. Sofortmaßnahmen auf der Vereinheitlichung der Dokumentation, die bei der Beantragung der Mehrwertsteuerbefreiung fuer den jeweiligen Umsatz (in Polen entspricht sie dem Mehrwertsteuersatz von 0%) bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen erforderlich ist. Sie betrifft praktisch alle Steuerpflichtigen, die sich an dem innergemeinschaftlichen Warenhandel beteiligen.

Zu erfuellende Voraussetzungen

Eine innergemeinschaftliche Lieferung (igL) bedeutet eine Ausfuhr von Waren aus dem Gebiet Polens in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als Polen fuer einen Mehrwertsteuerpflichtigen. Um bei einer igL eine Mehrwertsteuerbefreiung, d.h. die Besteuerung mit einem MwSt-Satz von 0% in Anspruch nehmen zu können haben sowohl der Erwerber als auch der Verkaeufer bestimmte Voraussetzungen zu erfuellen. Eine der Grundvoraussetzungen ist das Verfuegen ueber eine gueltige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.). Der liefernde Steuerpflichtige muss auch entsprechende Unterlagen besitzen.

In Antwort auf die steigende Anzahl von unlauteren Umsaetzen zwischen den Steuerpflichtigen aus verschiedenen Gemeinschaftslaendern entschieden sich die Mitgliedstaaten oft, die nationalen Vorschriften gegenueber den EU-Normen in diesem Bereich zu verschaerfen. In Konsequenz begannen diese Regelungen den freien Handel innerhalb der Union zu gefaehrden. Die einzige richtige Lösung hieß also, die in verschiedenen Staaten angewendeten Vorschriften zu vereinheitlichen. Dadurch wird bei den Unternehmern das Sich-Anpassen an die in dem jeweiligen Land geltenden Vorschriften und eine richtige Dokumentierung der Warenverbringung in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen der eigenen Lieferungen keine sprichwörtlichen Kopfschmerzen verursachen. Die Einfuehrung der neuen Vorschriften haengt mit der Annahme zusammen, dass es erst nach der Erfuellung von bestimmten (in dem weiteren Teil dieses Beitrags beschriebenen) Voraussetzungen ueberhaupt zu einer Lieferung kam, die als innergemeinschaftlich im Sinne der Mehrwertsteuervorschriften anzusehen ist.

STEUERBERATUNG
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Grundsaetzlich betrifft die aenderung die Einfuehrung von zwei Nachweisgruppen zur Bestaetigung der Warenbeförderung. Die erste Gruppe umfasst solche Unterlagen wie:

  • einen von dem Empfaenger unterzeichneten CMR-Frachtbrief,
  • ein Konnossement (d.h. einen Schiffsfrachtbrief),
  • eine Luftfracht-Rechnung,
  • eine Rechnung des Beförderers der Gegenstaende.

Unter die zweite Gruppe fallen dagegen:

  • eine Versicherungspolice fuer den Versand oder die Beförderung der Gegenstaende oder Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands oder der Beförderung der Gegenstaende belegen,
  • von einer öffentlichen Stelle wie z.B. einem Notar ausgestellte offizielle Unterlagen, die die Ankunft der Gegenstaende im Bestimmungsmitgliedstaat bestaetigen,
  • eine Quittung, die von einem Lagerinhaber im Bestimmungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, durch die die Lagerung der Gegenstaende in diesem Mitgliedstaat bestaetigt wird.

Man nimmt an, dass der Warenverkehr zustande kam, falls die Gegenstaende von dem Verkaeufer oder einem mit der Lieferung beauftragten Beförderer ausgefuehrt wurden und dieser:

  • im Besitz von mindestens zwei einander nicht widersprechenden Nachweisen aus der ersten Gruppe ist, die von zwei verschiedenen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander unabhaengig sind, oder
  • im Besitz von einem beliebigen Nachweis aus der ersten Gruppe und einem nicht widersprechenden Nachweis aus der zweiten Gruppe ist, mit denen der Versand oder die Beförderung bestaetigt werden muss. Die Nachweise sind von zwei verschiedenen Parteien auszustellen, die voneinander völlig unabhaengig sind.

Werden die Gegenstaende vom Erwerber oder auf Rechnung des Erwerbers von einem Dritten versandt oder befördert, dann ist es notwendig, neben den vorgenannten Unterlagen zusaetzlich eine Erklaerung des Erwerbers einzuholen, wo die Ausfuhr bestaetigt und der Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstaende angegeben wird. Solch eine schriftliche Erklaerung muss Folgendes enthalten: das Ausstellungsdatum, Bezeichnung bzw. Vorname und Name sowie Anschrift des Erwerbers; Menge und Art der Gegenstaende, Ankunftsdatum und -ort der Gegenstaende, bei Lieferung von Fahrzeugen die Identifikationsnummer des Fahrzeugs; die Identifikation der Person, die die Gegenstaende auf Rechnung des Erwerbers entgegennimmt.

Der Erwerber ist verpflichtet, solch eine schriftliche Erklaerung spaetestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorzulegen. Wird eine der vorgenannten Voraussetzungen nicht erfuellt, dann darf der Verkaeufer die Befreiung (einen MwSt-Satz von 0%) bei einer igL nicht anwenden. Dann sind die Gegenstaende mit dem entsprechenden MwSt-Satz nach den fuer den inlaendischen Verkauf geltenden Regeln zu besteuern.

Die mit den Sofortmaßnahmen eingefuehrten Sofortmaßnahmen betreffen auch die Beweislast. Möchten die Finanzbehörden die jeweilige innergemeinschaftliche Lieferung in Frage stellen, dann muessen sie beweisen, dass sie die in den Vorschriften genannten Voraussetzungen nicht erfuellt. Erst dann kann dem Steuerpflichtigen das Recht auf die Anwendung der Befreiung (eines MwSt-Satzes von 0%) bei einer igL entzogen werden.

Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer als materielle Voraussetzung

Gemaeß den geaenderten Vorschriften wird die Information ueber die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, die im MwSt-Informationsaustauschsystem (sog. MIAS) sichtbar ist, nicht nur eine formelle Voraussetzung sein, sondern sie wird zu einer materiellen Voraussetzung fuer Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung (eines MwSt-Satzes von 0%) bei einer igL. Zurzeit kann das Nichtvorliegen einer MwSt-Nummer eines Steuerpflichtigen sein Recht auf die Anwendung eines MwSt-Satzes von 0% (Steuerbefreiung mit dem Abzugsrecht) nicht in Frage stellen, falls die materiellen Voraussetzungen fuer das Zustandekommen einer igL erfuellt wurden. Gemaeß dem neuen Standard wird dagegen dem Lieferer das Recht auf die Anwendung der Steuerbefreiung (bzw. Anwendung eines MwSt-Satzes von 0%) entzogen, falls er seinen Geschaeftspartner im MIAS nicht identifiziert. Der EU-Gesetzgeber haelt jedoch fuer die Steuerpflichtigen eine Hintertuer offen, naemlich er gibt ihnen die Möglichkeit nachzuweisen, dass sie trotz der formellen Maengel betreffend Registrierung im MIAS gutglaeubig gehandelt haben. Somit wird eine abgewickelte Lieferung immer noch als eine igL mit dem Recht auf die Steuerbefreiung (Anwendung eines MwSt-Satzes von 0%) behandelt, vorausgesetzt dass der Lieferer vor der Behörde seinen "guten Glauben" beweisen kann.

Zusammenfassung

Mit diesem Beitrag beenden wir die Reihe von Artikeln ueber die einzelnen Sofortmaßnahmen, die ab 2020 in der ganzen Union gelten werden. Diese aenderungen sollen vorlaeufig das EU-Mehrwertsteuersystem auf dem Wege zu einer langfristigen Lösung staerken und das Leben der Steuerpflichtigen, insbesondere derjenigen, die in ihrem Geschaeft mit den Geschaeftspartnern aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, leichter machen. Es bleibt immer weniger Zeit, um sich auf diese neuen Vorschriften vorzubereiten, deswegen lohnt es sich, dies schon jetzt zu tun.

Unser inlaendischer Gesetzgeber befasst sich gerade mit der Implementierung der Regelungen ueber Sofortmaßnahmen in das polnische Recht – ans Tageslicht kam der Entwurf des Gesetzes ueber Quick Fixes. Kommen die inlaendischen Vorschriften den Erwartungen der Steuerpflichtigen entgegen? Wir bringen Ihnen dieses Thema schon bald naeher, deswegen bleiben Sie auf dem neusten Stand und verfolgen Sie unseren Blog.

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