Przemysław POWIERZA
Tax Partner bei RSM Poland

Mit diesem Beitrag möchte ich die Reihe der Beitraege zum Thema des guten Glaubens hinsichtlich der USt-Abrechnung fortsetzen, welches in Bezug auf das interessante Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Wrocław vom 10. Juli 2018 mit dem Az. I SA/Wr 256/18 angesprochen wurde. Mehr dazu können Sie in dem vorherigen Beitrag (Teil 1) lesen. Jetzt möchte ich mich auf die Voraussetzungen fuer den guten Glauben konzentriere, die durch die polnischen Verwaltungsgerichte und den Gerichtshof der Europaeischen Union (EuGH) praesentiert werden.

Die Organisatoren der Steuerbetruege sowie Subjekte, die dabei bewusst mitmachen, fuehren oft in betruegerische Umsaetze ehrliche Steuerpflichtige ein, was die Entdeckung solcher Geschaefte durch die Finanzbehörden erschwert. Diejenigen Subjekte, die sich an solch einem Umsatz unbewusst beteiligen, können leider empfindliche Konsequenzen dafuer tragen. Deswegen ist es besonders wichtig, sich mit den Grundsaetzen des guten Glaubens vertraut zu machen. Stellt die Finanzbehörde fest, dass der Steuerpflichtige gutglaeubig handelte, dann ist die Möglichkeit ausgeschlossen, ihm das Recht auf Vorsteuerabzug, das Recht auf die Anwendung des USt-Satzes von 0% sowie das Recht auf Steuererstattung zu entziehen. Guter Glaube schuetzt, aber sein Fehlen ganz umgekehrt – es verursacht rechtliche Folgen, d.h. den Entzug der vorgenannten Berechtigungen, was in dem besprochenen Urteil durch das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Wrocław klar ausgesprochen wurde. Das gutglaeubige Handeln ist aber auch relevant von dem geschaeftlichen Standpunkt. Die Beteiligung an der Betriebspruefung generiert alleine hohe Kosten bei dem Unternehmer, sei es auch durch den Einsatz des Personals und der externen Berater dafuer. Was mehr, kein Unternehmer möchte doch seine Geldmittel z.B. fuer Bezahlung der fremden Steuer einsetzen –  und gerade solche Konsequenzen kann ein bösglaeubiges Handeln verursachen. Deswegen soll man sich dagegen eher im Voraus absichern, indem man eigene, individuelle ueberpruefungsverfahren umsetzt, als dann darueber zu weinen.

Rechtsmissbrauch oder Steuerbetrug?

Bevor ich die Voraussetzungen fuer den guten Glauben bespreche, zuerst ein paar Worte zur Einleitung. Beim Thema guter Glaube ist eine der wichtigsten Fragen die Bestimmung von zwei grundlegenden Begriffen: Rechtsmissbrauch und Steuerbetrug. Warum ist das so wichtig? Vor allem deswegen, dass bevor die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen vorwirft, dass er nicht gutglaeubig handelte, muss sie deutlich nachweisen, dass sie sein Recht auf Vorsteuerabzug aufgrund seiner Beteiligung an einem Steuerbetrug und nicht z.B. aufgrund des Missbrauchs des Steuerrechts in Frage stellt. Guter Glaube betrifft eine unbewusste Beteiligung an einem Betrug, waehrend der Missbrauch der Rechtsvorschriften mit deren bewussten oder unbewussten unangemessenen Anwendung zusammenhaengt. Bei Bestimmung, ob die jeweilige Handlung als ein Missbrauch oder Betrug galt, muss man das Vorliegen eines völlig anderen Sachverhaltes nachweisen. Als ein Rechtsmissbrauch ist ein Umsatz zu verstehen, der grundsaetzlich das Erlangen eines Steuervorteils zum Ziel hat. Es geht also um die Entwicklung der kuenstlichen Strukturen, die weder auf den ökonomischen noch auf den wirtschaftlichen Voraussetzungen basieren. Im Unterschied zu dem Steuerbetrug erfuellt der Umsatz im Falle eines Rechtsmissbrauchs objektiv alle Voraussetzungen fuer Lieferung oder sonstige Leistung –  es wird nicht in Frage gestellt, dass der jeweilige Umsatz tatsaechlich zustande kam. Bei einem Steuerbetrug haben wir dagegen mit der Steuererschleichung, .z.B. dem Abzug der Vorsteuer aufgrund der Unterlagen, welche den tatsaechlichen Umsatz nicht widerspiegelten, oder mit der Steuerhinterziehung (durch die Nichtangabe der entsprechenden Bemessungsgrundlage, Anwendung der herabgesetzten Steuersaetze oder gezielte Nichtbezahlung der Steuer) zu tun. Falls die Finanzbehörde feststellt, dass der von uns abgewickelte Umsatz ein Bestandteil eines Betrugs war, muss sie in dem naechsten Schritt beweisen, dass wir uns an diesem Betrug bewusst beteiligten. Die Feststellung der Merkmale eines Betrugs bei unserem Geschaeftspartner darf nicht automatisch zu einer Schlussfolgerung fuehren, dass wir – der Steuerpflichtige  –  des Betrugs bewusst waren.  Die Finanzbehörde hat aufgrund der objektiven Voraussetzungen nachzuweisen, dass der Steuerpflichtige wusste bzw. haette wissen sollen, dass der Umsatz, der die Grundlage fuer den Steuerabzug sein soll, mit einer Straftat zusammenhaengte, die durch den leistenden Unternehmer bzw. ein auf einer frueheren oder spaeteren Stufe der Lieferkette handelndes Subjekt begangen wurde. Das Beweisen, dass der Steuerpflichtige der Beteiligung an einem Steuerbetrug bewusst war, wird zur Folge haben, dass er die ihm aufgrund der Umsatzsteuervorschriften zustehenden Rechte, darunter das Recht auf Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen kann.

Wonach sollen sich also die Finanzbeamten bei der Beurteilung richten, ob der jeweilige Steuerpflichtige bei dem ermittelten Sachverhalt haette vermuten sollen, dass es bei seinem Geschaeftspartner zum Betrug kam, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung tatsaechlich erfolgte? Es ist zu ermitteln, ob der Unternehmer alle Maßnahmen vorgenommen hat, die man von ihm begruendet erwarten kann, um sich zu vergewissern, dass die Umsaetze, an denen er sich beteiligt, kein Steuerbetrug sind. Traf der Unternehmer alle vernuenftigen Maßnahmen, die in seiner Kraft blieben, um die Teilnahme an einem Betrug zu vermeiden, kann man die Rechtsmaeßigkeit solch eines Umsatzes ohne Gefahr des Verlustes des Rechts auf Vorsteuerabzug vermuten.

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Gewissenhafter Kaufmann, das heißt...?

Als die wichtigste Voraussetzung fuer das Vorliegen des guten Glaubens ist das Kriterium der kaufmaennischen Gewissenhaftigkeit. Von den Wirtschaftssubjekten als Profis erwartet man naemlich Faehigkeiten und Kenntnisse, Gewissenhaftigkeit, Zuverlaessigkeit, Vorsorglichkeit sowie Weitsicht. Dies umfasst auch die Kenntnis der geltenden Rechtsvorschriften sowie ihrer Folgen in Bezug auf die ausgeuebte Geschaeftstaetigkeit.  Bei Beurteilung des Vorliegens des guten Glaubens wird also die Finanzbehörde folgende Elemente pruefen: Aufnahme der Zusammenarbeit durch den Steuerpflichtigen, ihren Verlauf, Umstaende der Lieferungen und Zahlungen dafuer, Gestaltung der Preise fuer gelieferte bzw. erworbene Ware. Solch eine Analyse soll vor allem unter Beruecksichtigung der Branchenspezifik sowie der zur jeweiligen Zeit geltenden Standards durchgefuehrt werden. Eine begruendete Unruhe soll bei dem Unternehmer z.B. das Image des jeweiligen Geschaeftspartners wecken, das von dem fuer diejenige Branche typischen abweicht oder ungewöhnliche Umstaende des Umsatzes. Alle diese Elemente kann (oder sogar muss) man als klare, technische Schritte erfassen und daraus ein erfolgreiches Verfahren fuer ueberpruefung jedes Geschaeftspartners und der wichtigeren Umsaetze entwickeln.

Welche ueberpruefungsmaßnahmen soll also ein vernuenftig handelnder Unternehmer im Rahmen seiner Geschaeftstaetigkeit vornehmen? Es gibt leider keine Patentlösung, die in jeder Situation angewendet werden könnte. Das umfassende Rechtsprechungsgut des EuGH und der polnischen Gerichte laesst die Mindestmaßnahmen bestimmen, die uns die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt bei ueberpruefung und Wahl der Geschaeftspartner ermöglichen. Jedes Verfahren soll jedoch individuell entwickelt werden, damit es maximal wirkungsvoll ist. Folgende ueberpruefungsmaßnahmen sind ein absolutes Minimum:

  • ueberpruefung der Geschaeftspartner in Bezug auf ihre Eintragung bei KRS/CEIDG sowie Registrierung fuer Umsatzsteuerzwecke;
  • ueberpruefung, ob die Personen, die den jeweiligen Vertrag abschließen/jeweiligen Umsatz abwickeln, die Vollmacht zum Handeln im Namen des Geschaeftspartners haben;
  • Dokumentierung des Umsatzes mit dem Vertrag, Auftrag bzw. mit einer anderen Bestaetigung der Bedingungen;
  • ueberpruefung der tatsaechlichen Niederlassung – man muss pruefen, ob diese Niederlassung die technischen Bedingungen fuer Abwicklung des Umsatzes erfuellt, d.h. ob der Geschaeftspartner ueber entsprechende organisatorische und technische Voraussetzungen, z.B. das Lager/die Lagerstaette fuer Lagerung der Waren sowie die Beförderungsmittel (falls er fuer Lieferung zustaendig ist) verfuegt;
  • Pruefen, ob es am Sitz des Subjekts ein Firmenschild gibt;
  • Beachten der internen Verfahren, d.h. die Aufzeichnung der bestimmten Vorgehensgrundsaetze in unserem Unternehmen in einer bestimmten Form ist das eine, man darf aber nicht vergessen, sie zu implementieren und anzuwenden; in dem besprochenen Urteil warf das Gericht der Gesellschaft vor, dass obwohl bei ihr ein mehrstufiges System fuer ueberpruefung der Geschaeftspartner funktionierte, erwies es sich als erfolglos.
  • Zusammenarbeit mit den bewaehrten, zuverlaessigen Subjekten – zweifelsohne können die Umsaetze mit einem neuen Geschaeftspartner mit einem höheren Risiko verbunden sein, deswegen ist in solchen Faellen eine größere Vorsicht geboten;
  • Zahlung fuer die Ware erst nach erfolgter Anlieferung.

Die vorgenannten Maßnahmen können (manchmal sogar stark) abhaengig von der Branche variieren.

Es gibt noch einen Grund dafuer, dass ein umsatzsteuerbezogenes ueberpruefungsverfahren individuell entwickelt werden soll – das, was in einem Fall absolut untypisch sein wird, könnte in einem anderen Fall als eine Norm anerkannt werden, die niemanden wundert. Ist ein Angebot fuer den Kauf der Kraftstoffe bei der Gesellschaft, die mit Lebensmitteln handelt, immer und ueberall verdaechtig? Grundsaetzlich ja, obwohl sich doch erweisen kann, dass solch ein Unternehmen ueber zahlreiche Logistikpunkte mit entsprechender Infrastruktur zum Vertrieb von Kraftstoffen verfuegt. Stieß die Gesellschaft auf gute Zulieferer der hochqualitativen Rohstoffe, kann sie Lust haben, einen anderen Geschaeftszweig auszubauen. Man darf doch keine Betrugsabsicht im Voraus annehmen.  Es bietet sich dagegen (eindeutig), jeden vernuenftigen Verdacht zu ueberpruefen, bevor wir ganz unnötig in Schwierigkeiten geraten.

Natuerlich sind es nicht alle Hinweise, die man bei der Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt und einem gutglaeubigen Handeln beachten soll. Die anderen bespreche ich in einem weiteren Beitrag zu diesem Thema. Deswegen bleiben Sie auf dem neusten Stand und verfolgen Sie unseren Blog.

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