Dawid STOLAREK
Corporate Finance Manager bei RSM Poland

In meinem letzten Eintrag erlaeuterte ich, wie schwierig es ist, die Bedingungen, unter welchen die Unternehmer in der Zukunft funktionieren werden muessen, vorherzusehen. Diese Herausforderung hat eine grundlegende Bedeutung fuer Bestimmung der Entwicklungsskala und Entwicklungsrichtungen eines Unternehmens, welche sich hauptsaechlich auf seine Wertschöpfungsfaehigkeit auswirken. Deswegen ist dieser Prozess trotz Schwierigkeiten weder zu missachten noch zu unterschaetzen.

Wie ist das kuenftige Unternehmenspotential zu beurteilen?

Auf aehnliche Probleme stoßen wir bei Erstellung der Unternehmensbewertung, insbesondere im Falle der Anwendung von Ertragswertverfahren. Die Ertragswertverfahren fuer Unternehmensbewertung sind in der Regel durch einen Finanzplan zu unterstuetzen, der mittels der Zahlen das kuenftige, wahrscheinliche Unternehmensbild darstellt. Erstellen wir die Finanzplaene fuer einige Jahre voraus, dann können wir uns in Bezug auf ihre Realitaet ziemlich sicher fuehlen. Wie sollen wir aber jetzt einen Finanzplan fuer unser Unternehmen in zehn oder zwanzig Jahren vorbereiten? Es ist eher unwahrscheinlich, dass wir genau bestimmen können, welche Marktbedingungen dann herrschen werden und wie die Lage des Unternehmens sein wird. Deswegen ist es sinnlos, zu detaillierte Prognosen fuer mehrere Jahre voraus vorzubereiten. Es stellt sich also die Frage, was man in solchem Fall tun soll, um das Potential des Unternehmens und dessen Faehigkeit zur Vermögenssteigerung fuer Unternehmensinhaber richtig und vollstaendig zu widerspiegeln.

Restwert des Unternehmens

Hilfsreich ist dabei das Restwertkonzept, nach welchem saemtliche wirtschaftliche Nutzen, die das Unternehmen in der Zeit nach Ablauf der Detailplanungsphase erwirtschaftet, ermittelt werden. Am haeufigsten nimmt man an, dass die Ertraege oder Zahlungsströme ab einem bestimmten Zeitpunkt entweder auf einem festen Niveau bleiben oder sich in einem festen Tempo veraendern werden. Deswegen wird der Restwert mit einer einfachen Formel bewertet, die den Wert der Summe von Gliedern einer geometrischen Folge zum Ausdruck bringt.

Die Experten fuer Unternehmensbewertung haben verschiedene Meinungen zur Erfassung des Restwertes als Bestandteiles des gesamten Unternehmenswertes. Bei manchen ruft dieser Grundsatz keine Einwaende hervor, sogar dann, wenn ein größerer Teil des Unternehmenswertes im Restwert enthalten ist. Es gibt aber auch diejenigen, die den Restwert misstrauisch betrachten, indem sie versuchen, die Detailplanungsphase maximal zu verlaengern und oft auf die Beruecksichtigung der Zahlungsströme, die nach Ablauf des prognostizierten Zeitraums generiert werden könnten, verzichten. Aufgrund meiner Erfahrungen im Bereich der Finanzmodellierung fuer Zwecke der Unternehmensbewertung kann ich Folgendes feststellen:

  1. Beruecksichtigung des Restwertes bei Ermittlung des Unternehmenswertes ist nichts Böses - es empfiehlt sich sogar, denn die meisten Unternehmen verschwinden nicht einfach von dem Markt nach zehn Jahren bzw.  nach einem anderen angenommenen Zeitraum. Die meisten davon funktionieren dann weiter und bringen ihren Inhabern bestimmte Nutzen.
  2. Am wichtigsten ist, dass die verwendeten Instrumente an die Besonderheiten des zu bewertenden Unternehmens angepasst sind. Die Erfassung des Restwertes ist grundsaetzlich geeignet, aber in einigen Situationen wird empfohlen, auf die Nutzung dieses Konzepts zu verzichten. Dies gilt z. B. fuer eine Zweckgesellschaft, die eine bauliche Investition durchfuehrt. Gibt es in ihrem Portfolio nur ein bestimmtes Projekt, dann kann man eher nicht annehmen, dass dieses die Zahlungsströme ueber eine unbestimmte Zeit generieren kann. Die Bewertung solch einer Gesellschaft soll sich auf die Ermittlung des Wertes des durchzufuehrenden Projekts beschraenken.

Zum Schluss möchte ich betonen, dass man bei Ermittlung des Restwertes vorsichtig vorgehen soll. Vor allem soll man das Anstiegsniveau von Zahlungsströmen nach Ablauf der Detailplanungsphase real annehmen. Obwohl sich die Existenz eines Unternehmens auf einige Jahre nicht einschraenkt, wird es immer schwieriger, bei Prognosen in Bezug auf eine immer weiter entfernte Zukunft die zuverlaessigen Grundlagen dafuer zu finden. Aktuelle Unternehmenslage, die von dem Unternehmen erzielten Ergebnisse und sogar seine aktuelle Perspektiven verlieren an Bedeutung bei Beurteilung seiner langfristigen Perspektiven. Sogar wenn wir mit einem hervorragenden Unternehmen zu tun haben, das rentabel ist und sich dynamisch entwickelt, ist die Auffassung, dass diese Situation unendlich dauern wird, kaum zu akzeptieren. Die Geschichte kennt viele Beispiele von Unternehmen, die zwar auf dem Markt erfolgreich waren, aber auf die aenderungen in ihrem Umfeld nicht richtig und rechtzeitig reagieren konnten. Allmaehliche aenderungen der Kundenbeduerfnisse und der Verfuegbarkeit von Instrumenten fuer ihre Befriedigung erwiesen sich fuer sie als eine zu große Herausforderung. Trotz urspruenglich optimistischer Prognose ist ihnen nicht gelungen, ein neues, effektives Geschaeftsmodell zu erarbeiten.