Tomasz BEGER
Tax Partner bei RSM Poland

Verrechnungspreise sind kein rein theoretisches Thema mehr, sondern eine von verbundenen Unternehmen in ihrem Geschaeftsalltag ganz praktisch zu beruecksichtigende Problemstellung. Umfang und Charakter der zuletzt vorgenommen legislativen aenderungen stellen sie vor eine große Herausforderung. Und obwohl diese aenderungen zuletzt erst im Jahr 2019 eingefuehrt wurden, so können die hiervon betroffenen Steuerpflichtigen diese bereits auf die Aufzeichnungspflichten fuer 2018 anwenden.

Welche Vorschriften ueber Verrechnungspreise können auf die steuerlichen Aufzeichnungspflichten fuer 2018 angewendet werden?

Wie bereits 2017, so wurden auch im Jahre 2019 zahlreiche geradezu revolutionaere aenderungen der sich auf die Gestaltung von Verrechnungspreisen beziehenden Regelungen vorgenommen. Da im Rahmen der ersten, d.h. im Jahre 2017 vorgenommenen Novellen bereits zahlreiche wichtige aenderungen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen zu beruecksichtigen waren, stellten die fuer dieses Jahr von den betroffenen Steuerpflichtigen auf Anforderung der Steuerbehörden vorzulegenden Steuerunterlagen diese vor große Herausforderungen. Dabei ging es vor allem um die veraenderte Methode zur Ermittlung der Dokumentationspflicht sowie die aenderung des Geschaeftswerts, der von der Höhe der Einnahmen und der von den Unternehmen getragenen Kosten im jeweils vorangegangenen Steuerjahr abhaengig war. Unternehmen, deren Einnahmen oder Kosten einen diesbezueglichen Schwellenwert jener Entgelte fuer die Lieferung von Guetern oder Waren aus Geschaeftsbeziehungen mit nahestehenden Personen von 2 Mio. € nicht ueberstiegen, waren von dieser Dokumentationspflicht befreit. Auch die Einfuehrung einer Berichtspflicht mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad je nach Größe des Unternehmens war hierbei von immenser Bedeutung (d.h. dem Grundsatz folgend: je größer das Unternehmen des Steuerpflichtigen, desto umfangreicher die Dokumentationspflicht).

Vorteile der aenderungen

Die dann seit 2019 schrittweise eingefuehrten neuen Vorschriften lassen sich zwar nicht als Revolution bezeichnen, unterscheiden sich aber dennoch zweifelsohne in vielen Bereichen stark von den 2017 eingefuehrten Regelungen. Größtenteils handelt es sich hierbei um aus Sicht der Steuerpflichtigen vorteilhafte, weniger belastende Regelungen, da die Bestrebungen des Gesetzgebers, die polnischen Vorschriften an die OECD-Richtlinien anzupassen, durchaus positiv zu bewerten sind. Die Einfuehrung von Legaldefinitionen hinsichtlich dessen, was genau unter Verrechnungspreisen zu verstehen ist, die Möglichkeit zur Nutzung des Rechtsinstituts safe harbours, wie letztlich ebenso die Befreiung von der Dokumentationspflicht fuer inlaendische Unternehmen sind dabei als große Vorteile zu werten.

Nicht alle sind zufrieden

Auf heftige Kritik der Steuerzahler treffen hingegen die verpflichtende Vergleichsanalyse fuer alle Geschaefte, fuer die Steuerunterlagen erstellt werden muessen, eine erweiterte Haftung des Vorstands fuer die Bestaetigung der Marktbedingungen der von ihnen getaetigten Geschaefte (sogar unter Androhung einer steuerstrafrechtlichen Haftung), sowie unklare Regelungen bzgl. der Verbindungen zwischen den Geschaeftspartnern im Zusammenhang mit dem Ausueben von gewichtigem Einfluss.

VERRECHNUNGSPREISE
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Vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Erlaeuterungen ist die Möglichkeit, die Aufzeichnungen fuer das Steuerjahr 2018 sowohl auf Grundlage der neuesten, wie auch der etwas aelteren Vorschriften zu erstellen, hochinteressant. Der Steuerpflichtige selbst kann naemlich entscheiden, welche der beiden Regulierungen er hierzu anwenden möchte. Welche Fragen sollten also vor dieser Entscheidung geklaert werden? Die im Folgenden erlaeuterten, sich aus den beiden unterschiedlichen Steuerregimen ergebenden Dokumentationspflichten sollen aufzeigen, dass eine solche Wahl alles andere als selbstverstaendlich ist.

Dokumentationsschwellen und Befreiung von der Pflicht

Zweifelsohne bildet die Berechnungsmethode der sog. Dokumentationsschwellen einen wesentlichen Unterschied zwischen den Dokumentationspflichten im Rahmen der Vorschriften von 2017 und 2019. Seit 2019 werden diese Schwellen nicht mehr auf der Grundlage der Höhe der im Vorjahr erwirtschafteten Einnahmen oder entstandenen Kosten ermittelt. Die Erhöhung des Schwellenwerts auf 2 Mio. PLN fuer Entgelte aus der Erbringung von Leistungen sowie auf 10 Mio. PLN fuer Entgelte aus Lieferungen von Waren oder Guetern sowie aus getaetigten Finanzgeschaeften stellt eine durchaus positiv zu bewertende aenderung dar. Darueber hinaus erlaeuterte der Gesetzgeber nun explizit, dass hierbei der Netto- und nicht der Bruttowert des jeweiligen Geschaeftsvorgangs anzusetzen ist, d.h. ohne Umsatzsteuer, was bisher nicht klar angegeben war. Aus „Sicherheitsgruenden“ hatten die Steuerpflichtigen aufgrund dieser Unklarheiten bei der Ermittlung der Dokumentationspflicht naemlich haeufig den Bruttowert herangezogen. Darueber hinaus erleichterten die komplizierten Formeln zur Umrechnung des Geschaeftswerts – in Abhaengigkeit von den erwirtschafteten Einnahmen oder generierten Kosten – nun die Bestimmung dessen, welche einzelnen Geschaeftsvorgaenge ueberhaupt von der Dokumentationspflicht im Rahmen der Verrechnungspreise fuer 2017 erfasst werden.

Stammdokumentation

Seit 2019 muessen verbundene Unternehmen, die einen konsolidierten Jahresabschluss vorlegen und deren konsolidierte Einnahmen im vorangegangenen Geschaeftsjahr 200 Mio. PLN bzw. einen entsprechenden aequivalenz-Betrag ueberstiegen, eine sog. Stammdokumentation (Master File) erstellen. Im Rahmen des seit 2017 geltenden Steuerregimes musste eine solche Stammdokumentation von Steuerpflichtigen erstellt werden, die im Vorjahr Einnahmen oder Kosten von mindestens 20 Mio. € ausgewiesen hatten. Unternehmen, die Einnahmen oder Kosten in dieser Höhe auswiesen sowie zur Gruppe der verbundenen Unternehmen zaehlten, fuer die aber keine konsolidierten Jahresabschluesse vorzulegen waren, musste also eine solche Master File erstellen. Bei Anwendung des neuen Steuerregimes fuer das Jahr 2018 muesste ein solches Unternehmen nun keine Stammdokumentation mehr erstellen. Auf der anderen Seite aber sind Unternehmen, die einer Kapitalgruppe angehören, die im vorherigen Geschaeftsjahr konsolidierte Einnahmen von ueber 200 Mio. PLN erwirtschaftet hatten, zur Erstellung einer solchen Stammdokumentation ihrer Verrechnungspreise verpflichtet – und zwar unabhaengig von der Höhe der jeweils lokal erwirtschafteten Einnahmen einzelner Tochterunternehmen. Darueber hinaus kann der Steuerpflichtige seit 2019 eine von seinem Mutterkonzern erstellte Master File in englischer Sprache einreichen, natuerlich unter der Bedingung, dass diese Dokumentation den im Inland, d.h. in Polen geltenden Anforderungen genuegt.

Befreiungen fuer Binnengeschaefte

Der wichtigste Aspekt aber besteht darin, dass bei Anwendung des ab 2019 geltenden Steuerregimes die Möglichkeit einer Befreiung von der Dokumentationspflicht fuer Binnengeschaefte zwischen verbundenen Unternehmen besteht. Dies gilt fuer den Fall, dass diese Unternehmen keinen steuerlichen Verlust ausweisen und auch keine Ertragssteuerbefreiungen in Anspruch genommen haben (z. B. im Rahmen einer Sonderwirtschaftszone). Dieser Mechanismus eröffnet den Steuerpflichtigen nunmehr die Möglichkeit, ihre Dokumentationspflichten zu beschraenken. Im Falle der Vornahme interner Gruppentransaktionen, d.h. ausschließlich auf dem inlaendischen polnischen Markt, bedeutet dies sogar eine vollstaendige Befreiung von dieser Pflicht. Dies ist eine lang erwartete und sehr vorteilhafte aenderung, die sich auf die Entscheidung fuer die Anwendung der Vorschriften von 2019 fuer die steuerlichen Aufzeichnungspflichten im vorangegangen Jahr 2018 auswirken kann. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die Befreiung von der Dokumentationspflicht nicht mit einer Befreiung von der Pflicht einhergeht, alle Geschaefte zu Marktbedingungen abzuwickeln. Das diesbezuegliche Risiko traegt auch weiterhin der Steuerpflichtige.

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