In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Können Steuerpflichtige, die Erteilung eines Steuervorbescheids beantragen, mit der Zurückweisung des Antrags ohne Prüfung rechnen?
  • Welche Formerfordernisse muss ein Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids erfüllen?

Warum ist es nicht immer einfach, einen Steuervorbescheid zu erhalten? Dafür kann es viele Gründe geben. Manchmal werden Schwierigkeiten durch eine falsche Beschreibung des Sachverhalts verursacht... und manchmal wird es von dem Leiter der Landesfinanzauskunft selbst nicht leicht gemacht. Es kommt vor, dass der Leiter – um die Erteilung eines Steuervorbescheids zu vermeiden – in der Aufforderung zur Antragsergänzung viele Fragen stellt, was dazu führt, dass die Finanzbehörde einen Beschluss erlässt, dass der Antrag des Steuerpflichtigen ohne Prüfung zurückgewiesen wird.

In einem neulich veröffentlichten Urteil entschied das Woiwodschaftsverwaltungsgericht über die Beschwerde eines Steuerpflichtigen gegen eine solche Vorgehensweise des Leiters der Landesfinanzauskunft. Glücklicherweise stellte sich das Gericht auf die Seite des Steuerpflichtigen (Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Wrocław vom 12. September 2023, Az. I SA/Wr 119/23).

 

Wie vermeidet der Leiter der Landesfinanzauskunft die Erteilung von Steuervorbescheiden?

Beginn des Rechtsstreits zwischen einem Steuerpflichtigen und einer Finanzbehörde

Ein Steuerpflichtiger, der im Bereich der Softwareentwicklung tätig ist, hat bei dem Leiter der Landesfinanzauskunft einen Antrag auf Erteilung des Steuervorbescheids über die Einkommensteuer im Rahmen der sog. IP Box-Steuerermäßigung gestellt. Um diese Steuererleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss man ermitteln, ob der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt, die Forschung oder Entwicklung umfasst.

Die Auslegungsbehörde entschied, dass der von dem Steuerpflichtigen eingereichte Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids nicht den Formerfordernissen der Abgabenordnung genüge und forderte den Antragsteller auf, den Antrag zu ergänzen – andernfalls wird er ohne Prüfung zurückgewiesen.

Zunächst musste der Steuerpflichtige klar angeben, ob die von ihm ausgeübte Tätigkeit Forschung oder Entwicklung umfasst. Somit zwang die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen in gewisser Weise, seine eigene Frage zu beantworten, die in dem Antrag gestellt wurde.

Der Steuerpflichtige versuchte, die Fragen des Leiters der Landesfinanzauskunft zu beantworten, konnte aber nicht eindeutig feststellen, ob es sich bei seiner Tätigkeit um eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit handelt, weil er selbst diese Antwort mit seinem Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids suchte. Hätte Unternehmer gewusst, ob seine Tätigkeit als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eingestuft werden kann, hätte er keinen Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids stellen müssen. In der Folge hat die Behörde den Antrag ohne Prüfung zurückgewiesen.

Der Leiter der Landesfinanzauskunft argumentierte, dass der Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids nicht geprüft worden sei, weil der Steuerpflichtige nicht alle in der Aufforderung genannten Mängel beseitigt habe. Zudem bezeichnete die Behörde die Ergänzung des Sachverhalts als unvollständig, unklar und mehrdeutig. Nach Auffassung der Behörde enthielt sie nicht viele Details. Insbesondere war dabei entscheidend, dass der Antragsteller die Erteilung der unmittelbaren Antwort auf die Frage „unterließe“, ob seine Tätigkeit als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit anzusehen sei.

Der Rechtsstreit mit der Finanzbehörde wurde an das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Wrocław verwiesen und ging im Wesentlichen auf die Frage, ob der Leiter der Landesfinanzauskunft von dem Antragsteller verlangen kann, eine selbständige rechtliche Beurteilung der von ihm beschriebenen Tätigkeiten auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen in der Sachverhaltsdarstellung vorzunehmen.

 

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht schloss sich dem Vorgehen der Finanzverwaltung nicht an und entschied, dass der Steuerpflichtige das Recht hat, einen Steuervorbescheid zu erhalten

Das Gericht hob den angefochtenen Beschluss der Finanzbehörde auf und entschied, dass der Antrag, der das erforderliche Minimum an Informationen (eine umfassende Sachverhaltsdarstellung) enthält, nicht ohne Prüfung zurückgewiesen werden darf.

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht stellte fest, dass der Steuerpflichtige den Sachverhalt in dem von dem Leiter der Landesfinanzauskunft beanstandeten Umfang erschöpfend dargestellt habe, d. h. mit erforderlichen Informationen, die es der Behörde erlauben, die Position des Antragstellers zu beurteilen.

Das Gericht gab dem Steuerpflichtigen Recht und stellte fest, dass die Finanzbehörde die Auslegung der fraglichen Bestimmungen nicht verweigern und von dem Steuerpflichtigen erwarten darf, dass er seine Tätigkeit selbst einstuft. Von einem Steuerpflichtigen, der die Erteilung eines Steuervorbescheid beantragt, darf nicht verlangt werden, dass er selbst entscheidet, ob die von ihm ausgeübten Tätigkeiten im vorliegenden Fall Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten darstellen. Eine solche Forderung ist nämlich eigentlich die Erwartung, dass der Antragsteller die Finanzverwaltung bei der Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften ersetzt.

 

Welche Schlüsse können aus diesem Urteil gezogen werden?

Ein Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids, der das erforderliche Minimum an Informationen (d.h. eine umfassende Sachverhaltsdarstellung) enthält, darf von der Behörde nicht ohne Prüfung zurückgewiesen werden. 

Die Finanzbehörde darf von dem Steuerpflichtigen nicht verlangen, dass er sie bei der Auslegung der Rechtsvorschriften ersetzt, und das Verfahren zur Beseitigung von Formmängeln darf von dem Leiter der Landesfinanzauskunft nicht in dieser Weise angewandt werden.

Es ist Aufgabe der Auslegungsbehörde, die steuerrechtlichen Vorschriften auszulegen, und diese Last darf unter keinen Umständen auf den Steuerpflichtigen abgewälzt werden.

Das Gericht betonte, dass eine solche Vorgehensweise des Leiters der Landesfinanzauskunft – verbunden mit einer Vielzahl der in der Aufforderung angegebenen Forderungen der Behörde und einer kurzen Frist für ihre Klärung (in der Regel eine Woche) – den Sinn und Zweck der gestellten Fragen sowie die Absichten der Behörde in den Augen des Steuerpflichtigen unklar machen können.

Das Urteil gibt den Steuerpflichtigen, die die Erteilung eines Steuervorbescheids beantragen wollen, durchaus Hoffnung. Die Verweigerung der Erteilung eines Steuervorbescheids bei einem ähnlichen sowie bei anderen Sachverhalten wird nämlich zu einer häufigen Vorgehensweise der Finanzbehörden. Wie der geschilderte Fall zeigt, lohnt es sich jedoch, seine Rechte geltend zu machen.