Przemysław POWIERZA
Tax Partner bei RSM Poland

Das in der Europaeischen Union geltende Mehrwertsteuersystem ist ein praktisches Beispiel fuer die sog. Allphasen-Netto-Umsatzsteuer. Dieses Modell setzt die Erhebung der Steuer auf jeder Umsatzstufe (in jeder Umsatzphase) voraus, wobei der an die Finanzbehörde ueberwiesene Steuerbetrag mit dem durch den jeweiligen Umsatzbeteiligten (Steuerpflichtigen) erwirtschafteten Mehrwert verbunden ist. Der Mechanismus muss also eine Methode fuer die Berechnung dieses Betrags vorsehen. Darueber hinaus unterliegen der Besteuerung die Konsumausgaben in ihrer endgueltigen Form – das Modell muss also eine effektive Steuererhebung in demjenigen Staat sicherstellen, wo sich der Verbraucher zum Zeitpunkt des Konsums befindet.

Mehrwertsteuersystem immer noch in der uebergangsphase

Ehrgeizig, nicht wahr? Eben – deswegen mueht sich die Union seit mehreren Jahren mit einer effektiven Erhebung der Mehrwertsteuer ab, indem sie einerseits ihre Effektivitaet (Mehrwertsteuer steht fuer 40% der Haushaltseinnahmen der Staaten, in denen sie funktioniert) sicherstellen, andererseits aber sie gegen den Missbrauch (Steuerhinterziehung und -vermeidung sowie Diebstahl der den Finanzbehörden zustehenden Betraegen) schuetzen will. Dadurch funktionieren wir seit Jahren in einer Welt von zahlreichen uebergangslösungen. Man arbeitet daran, damit sie endlich durch ein endgueltiges Mehrwertsteuersystem ersetzt werden. Es ist aber ein langfristiger Prozess, deswegen versuchen die nationalen und der gemeinschaftliche Gesetzgeber, einige aenderungen und Straffungen bereits jetzt vorzunehmen. Die Motivation ist sehr stark – in den letzten Jahren ist naemlich der Anstieg der Steuerkriminalitaet – gerade bezueglich der Mehrwertsteuer –  zu beobachten. Ein ernstes Problem ist auch die Schattenwirtschaft – mehr als 2/3 der MwSt-Luecke (d.h. der statistischen Defizite dieser Steuer) resultieren aus der Vermeidung der Ausstellung von Rechnungen und Kassenbons fuer Endverbraucher.

Die Gemueter bewegt in Polen u.a. das sog. Split Payment (die geteilte Zahlung), worueber wir schon mehrmals schrieben, z.B. hier. Ein aehnlicher Straffungsprozess findet auch bei unserem westlichen Nachbarn statt, wo sich die Online-Haendler in Deutschland auf die wesentlichen aenderungen vorbereiten mussten. Als ein großer Erfolg sind die bestimmten Maßnahmen auf der gesamten Unionsebene anzusehen – gerade wurden durch den Rat der Europaeischen Union drei Rechtsakte verabschiedet, die als Sofortmaßnahmen gelten und die aenderungen im Bereich der grenzueberschreitenden Umsaetze obligatorisch schon ab 1. Januar 2020 einfuehren. Es geht darum, dass die Verbesserungen möglichst schnell dort eingefuehrt werden, wo es möglich ist – ohne zu warten, bis alle Elemente des endgueltigen Modells umsetzungsfaehig sind.

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Quick Fixes auf RSM-Blog

Mit diesem Artikel beginnen wir eine Reihe von Beitraegen auf dem Blog von RSM Poland, welche die oben erwaehnten Sofortmaßnahmen (Quick Fixes) in dem grenzueberschreitenden Handel thematisieren werden. Es gibt vier Bereiche, die wesentlich geaendert werden:

  1. Konsignationslager (call-off stock) – mit den neuen Vorschriften werden die Vereinfachungen eingefuehrt und die Grundsaetze fuer Funktionsweise solcher Lager in der ganzen EU vereinheitlicht. Zurzeit haben die nationalen Gesetzgeber einen Spielraum in diesem Bereich, wodurch die Anwendung solch einer Vereinfachung bei der MwSt-Abrechnung sehr oft nicht möglich ist.
  2. Dokumentierung der innergemeinschaftliche Lieferungen – um die Mehrwertsteuerbefreiung (einen MwSt-Satz von 0%) bei der igL anwenden zu können, muessen sich die Steuerpflichtigen der einheitlichen Dokumentation bedienen. Alle Finanzbehörden in der ganzen Union werden (schließlich) die gleiche Dokumentation verlangen;
  3. Reihengeschaefte – es werden die eindeutigen Kriterien eingefuehrt, welche feststellen lassen, welche Lieferung in der Reihe bewegt ist. Es gibt also die Chance, dass solche Geschaefte die mit den mehreren Vermittlern oder innerhalb der Gesellschaftengruppen handelnden Steuerpflichtigen nicht mehr beklemmen werden.
  4. Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer – um die Mehrwertsteuerbefreiung bei der innergemeinschaftlichen Lieferung anzuwenden, muessen sich die Steuerpflichtigen zwingend einer gueltigen Steueridentifikationsnummer bedienen, die fuer Zwecke der innergemeinschaftlichen Umsaetze registriert ist. Ohne diese Nummer kommt die igL einfach nicht zustande.

Obwohl diese aenderungen bereits feststehen, wurde der Gesetzgebungsprozess noch nicht beendet. Die Verordnungen, die im Dezember 2018 verabschiedet wurden, d.h.

  • Durchfuehrungsverordnung (EU) Nr. 2018/1912 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur aenderung der Durchfuehrungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 hinsichtlich bestimmter Befreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsaetzen,
  • Verordnung (EU) Nr. 2018/1909 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur aenderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich des Informationsaustauschs zur ueberwachung der ordnungsgemaeßen Anwendung von Konsignationslagerregelungen,

sind gueltig und finden unmittelbar ab 1. Januar 2020 Anwendung. Die Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur aenderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems zur Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten bedarf jedoch der Implementierung in die nationale Rechtsordnung durch ein Gesetz in allen Mitgliedslaendern. Die einzelnen Mitgliedslaender haben dafuer die Zeit bis 31. Dezember 2019. Das Datum der Bekanntgabe des Entwurfs der Novelle des polnischen Umsatzsteuergesetzes ist jedoch noch nicht bekannt.

Mehr ueber die einzelnen Sofortmaßnahmen können Sie in den naechsten Beitraegen zu Quick Fixes lesen, die auf unserem Blog regelmaeßig erscheinen werden. Es lohnt sich, sich auf diese aenderungen im Voraus vorzubereiten – ruhig und ohne unnötigen Stress.

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