In diesem Beitrag beantworten wir folgende Fragen:
- Können Erotikshows als kulturelle Leistungen behandelt werden?
- Beeinflusst der kontroverse Inhalt die Besteuerung einer sonstigen Leistung?
- Wie werden kulturelle Leistungen besteuert?
Steuerrecht gilt für alle, unabhängig von der Branche, in der sie ihre Einkünfte erzielen. Jeder Unternehmer – unabhängig davon, ob er in Immobilien investiert, beim Verkauf von landwirtschaftlichen Maschinen vermittelt, IT-Dienstleistungen erbringt oder Erotikshows bietet – kann auch Zweifel an der angemessenen Besteuerungsmethode der erhaltenen Vergütung haben und bei den polnischen Finanzbehörden die Auslegung der Vorschriften beantragen. Beamte, die ein bestimmtes Thema analysieren, müssen moralische Fragen beiseitelegen und das Problem nur aus steuerlicher Sicht betrachten.
Streit über das Verständnis von „kulturellen Leistungen” durch Finanzbehörde
Der diskutierte Rechtsstreit bezieht sich auf einen Steuervorbescheid. Im Antrag an den Leiter der Landesfinanzauskunft (DKIS) gab der Steuerpflichtige an, dass er plant, „kulturelle Leistungen” im Internet zu erbringen, die auf der Präsentation von Originalshows und künstlerischer Darbietungen erotischer Natur auf der dafür vorgesehenen Webseite beruhen.
Der Steuerpflichtige bezeichnete sich selbst als Künstler, der Werke als Teil des kreativen Prozesses erschafft, und betonte, dass die Aufführungen Tanz- und Choreografie-Elemente enthalten würden und die Tätigkeit selbst nichts mit der Produktion pornografischer Inhalte zu tun haben würde.
Der Leiter der Landesfinanzauskunft kam jedoch zu dem Schluss, dass die geplanten Shows nicht die Kriterien der „kulturellen Leistungen" im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erfüllen. Nach Ansicht der Behörde sei der Antragsteller zwar als einzelner Schöpfer und Künstler im Sinne der Bestimmungen zu Urheberrecht und verwandten Schutzrechten tätig, aber im Falle einer solchen Tätigkeit könne er nicht die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 33 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes für kulturelle Leistungen in Anspruch nehmen, die mit einem Honorar vergütet werden.
Die Finanzbehörde rechtfertigte ihre Position damit, dass nicht jede schöpferische Tätigkeit automatisch eine kulturelle Leistung darstelle. Nach Auffassung des Leiters der Landesfinanzauskunft sei der Zweck der vom Steuerpflichtigen beschriebenen Show nicht die Verbreitung von Kultur oder Kulturerbe, sondern etwas völlig anderes. Darüber hinaus sei es nach Ansicht der Behörde schwer festzustellen, dass diese Art von Tätigkeit ein öffentliches Ziel verfolge, das die Senkung der Kosten für den Zugang zu der Dienstleistung durch eine Umsatzsteuerbefreiung rechtfertigen könnte.
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Recht und Gleichheit über Emotionen – abweichender Ansatz der Verwaltungsgerichte zur Erotik
Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht (WSA) Gliwice stimmte den Argumenten des Leiters der Landesfinanzauskunft nicht zu (Urteil vom 19. April 2022, Az. I SA/Gl 1527/21).
Das Gericht wies darauf hin, dass die in Art. 43 Abs. 1 Nr. 33 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes genannte Steuerbefreiung nicht von der Umsetzung des öffentlichen Interesses durch kulturelle Leistungen abhänge. Die Bestimmungen schreiben lediglich vor, dass solche Leistungen von einzelnen Schöpfern oder Künstlern im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte erbracht und mit einem Honorar vergütet werden müssen.
Das WSA verfolgte einen breiten Ansatz zur Auslegung des Begriffs „kulturelle Leistungen” und betonte, dass der erotische Charakter der Darbietung allein sie nicht automatisch von der Möglichkeit ausschließen könne, die Umsatzbefreiung in Anspruch zu nehmen – eine solche Auslegung wäre zu eng. Das Gericht argumentierte, dass erotische Themen ein natürliches Element des menschlichen Lebens und zwischenmenschlicher Beziehungen seien sowie ein untrennbarer Teil der Kultur – schließlich seien sie in Literatur, Theater, Film und Kunst präsent. Falls eine erotische Darbietung kein gesetzwidriges Verhalten enthält oder nicht auf die Präsentation von Inhalten beschränkt ist, die moralische Normen verletzen, kann man ihr daher einen kulturellen Charakter nicht verweigern, geschweige denn behaupten, sie verfolge nicht das öffentliche Interesse.
Diese Argumente wurden auch vom Obersten Verwaltungsgericht (NSA) in seinem Urteil vom 16. Oktober 2025, Az. I FSK 1342/22 geteilt, in dem er betonte, dass erotische Themen ein natürliches Element des Alltagslebens, zwischenmenschlicher Beziehungen sowie der Kultur im weiteren Sinne seien. Das Gericht entschied, dass, wenn die beschriebene Erotikshow kein bestraftes Verhalten enthalte und nicht auf die Darstellung sexueller Handlungen hinauslaufe (und die Absicht des Schöpfers nicht darin bestehe, sexuelle Erregung beim Zuschauer zu wecken), ihr kultureller Charakter gemäß den geltenden Vorschriften nicht geleugnet werden könne.
Nicht offensichtliche Schlussfolgerungen aus Urteilen für jeden Umsatzsteuerpflichtigen
Der Fall betreffend die Möglichkeit einer Umsatzsteuerbefreiung bei Einkünften aus einer Online-Erotikshow sorgte für viel Verwirrung und wurde von Medien und Steuerberatern vielfach kommentiert. Der Großteil der Diskussion konzentrierte sich jedoch auf den umstrittenen Sachverhalt und den Ausgang des Falls und nicht darauf, wie beide Verwaltungsgerichte das Problem professionell und sachlich angegangen sind.
Der Rechtsstreit mag Emotionen hervorgerufen haben, aber die Gerichte sollten sich in erster Linie vom Buchstaben des Gesetzes und den geltenden Steuerregeln und -merkmalen leiten lassen und nicht von subjektiven Gefühlen. Und genau das war hier der Fall. Sowohl das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gliwice als auch das Oberste Verwaltungsgericht war der Sache gewachsen und analysierte die Vorschriften gemäß dem Gleichheitsprinzip, trotz der Kontroverse, die fälschlicherweise von dem Leiter der Landesfinanzauskunft aufgeworfen worden war.
Die Aufgabe der Finanzverwaltung und Verwaltungsgerichte besteht darin, Vorschriften gemäß dem geltenden Recht auszulegen und die Rechte der Steuerpflichtigen nicht aufgrund moralischer Überzeugungen einzuschränken. Es ist der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Gesetzgebung, der das Gesetz so gestalten sollte, dass es im Einklang mit den derzeit in der Gesellschaft geltenden moralischen und moralischen Normen steht.