Die Finanzbehörden stellen in Frage den Abzug der Vorsteuer aus den Rechnungen, die durch die fuer Umsatzsteuerzwecke nicht registrierten Subjekte ausgestellt wurden. Ist das Recht auf Vorsteuerabzug von der Registrierung des jeweiligen Geschaeftspartners abhaengig?

 

REGISTER DER STEUERPFLICHTIGEN UND SAF-T VAT

Mit Anfang dieses Jahres erlangten die Finanzbehörden das Recht, das jeweilige Subjekt aus dem Register der Umsatzsteuerpflichtigen zu streichen, ohne dabei einen Bescheid erlassen zu muessen. Die Anzahl der gestrichenen Subjekte liegt zurzeit bei ca. 50.000. Gleichzeitig erstreckt sich die Pflicht zur allmonatlichen Versendung von SAF-T VAT (poln. JPK-VAT) seit Anfang dieses Jahres auch auf kleine und mittlere Unternehmer. Diese Dateien werden durch die Finanzbehörden laufend analysiert.

Die vorgenannten aenderungen wirken sich auf das Risiko der ausgeuebten Geschaeftstaetigkeit wesentlich aus. Zu jeder Zeit kann sich naemlich erweisen, dass unser Geschaeftspartner aus dem Register der Umsatzsteuerpflichtigen gestrichen wurde (z.B. weil er ueber 6 Monate bei dem zustaendigen Finanzamt die Voranmeldungen mit keinen ausgewiesenen Umsaetzen einreichte bzw. mit der jeweiligen Finanzbehörde den Rechtsstreit ueber die Ausstellung der "leeren" Rechnungen einging). Zugleich kann die Finanzbehörde aufgrund der Analyse von SAF-T VAT einfach beweisen, dass wir in unserer Voranmeldung eine von solch einem Geschaeftspartner erhaltene Rechnung erfassten und anschließend feststellen, dass wir kein Recht auf Abzug der in dieser Rechnung ausgewiesenen Vorsteuer hatten, indem sie sich auf das fehlende Recht auf Abzug der Vorsteuer aus den durch ein fiktives Subjekt ausgestellten Rechnungen beruft. Manche Steuerpflichtigen erhielten bereits Ladungen aus diesem Grund.

NICHT VORHANDENES VS. NICHT REGISTRIERTES SUBJEKT

Bei Verweigerung den Steuerpflichtigen des Rechts auf Abzug der Vorsteuer aus dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen von einem nicht registrierten Umsatzsteuerpflichtigen berufen sich die Finanzbehörden auf Art. 88 Abs. 3a Nr. 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG-PL). Gemaeß dieser Vorschrift bilden die Rechnungen und Zolldokumente keine Grundlage fuer die Herabsetzung der berechneten Steuer und Erstattung der Steuerdifferenz bzw. fuer Erstattung der Vorsteuer, falls der Verkauf durch die von einem nicht vorhandenen Subjekt ausgestellten Rechnungen bzw. Korrekturrechnungen dokumentiert wurde.

Das Sichbberufen der Finanzbehörden auf die vorgenannte Vorschrift ist jedoch nicht geeignet, denn aus dessen Inhalt ergibt sich kein Recht auf Abzug der Vorsteuer in Situationen, wenn die Rechnung durch ein nicht vorhandenes (fiktives) Subjekt ausgestellt wurde. Diese Vorschrift erstreckt sich nicht auf die Situationen, wo der Verkauf durch ein vorhandenes Subjekt abgewickelt wurde, der jedoch von dem Register der Umsatzsteuerpflichtigen gestrichen wurde bzw. als Umsatzsteuerpflichtiger gar nicht registriert wurde.

EUGH-ENTSCHEIDUNG

ueber das Problem des Rechts auf Abzug der Vorsteuer aus den durch ein nicht registriertes Subjekt ausgestellten Rechnungen entscheidet bald der Gerichtshof der Europaeischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-101/16 SC Paper Consult SRL. Das Verfahren betrifft den rumaenischen Steuerpflichtigen, der die Vorsteuer aus den Rechnungen abzog, die durch ein aus dem Register der Umsatzsteuerpflichtigen aufgrund der Nichteinreichung der Voranmeldungen gestrichenes Subjekt ausgestellt wurden. Aufgrund der Vorlagefrage wird der EuGH analysieren, ob die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Falle der Ausstellung einer Rechnung durch einen inaktiven Steuerpflichtigen mit der Mehrwertsteuerrichtlinie konform ist. Die Entscheidung dieser Rechtssache wird sich auf die Lage der polnischen Steuerpflichtigen in einem erheblichen Maße auswirken.

Bereits sind die Schlussantraege des Generalanwalts Paulo Mengozzi zu dieser Rechtssache bekannt, die 31. Mai 2017 dargestellt wurden. Nach Auffassung des Generalanwalts sind die durch das rumaenische Recht angenommenen Lösungen zu restriktiv und sie verletzen den Neutralitaetsgrundsatz. Die Nichterfuellung der formellen Voraussetzungen soll keine strengen Konsequenzen wie Entzug des Rechts auf Vorsteuerabzug zur Folge haben. Die in den rumaenischen Vorschriften angewendeten Maßnahmen hatten zum Ziel, die Steuerpflichtigen zu entmutigen, die Umsaetze mit einem inaktiven Subjekt abzuschließen, denn die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einem Steuerbetrug ist in solchen Faellen höher. Nach Auffassung des Generalanwalts waere die Aussetzung des Rechts auf Vorsteuerabzug besser dafuer geeignet als dessen endgueltiger Verlust.

Obwohl die Schlussantraege des Generalanwalts fuer die Richter des EuGH nicht bindend sind, kann man damit rechnen, dass der Inhalt des EuGH-Urteils dem Inhalt der Schlussantraege entsprechen wird.

PFLICHT ZUR ueBERPRueFUNG DES GESCHaeFTSPARTNERS

Der Generalanwalt wies darauf hin, dass die Nichterfuellung der formellen Voraussetzungen nur in zwei Faellen den Entzug des Rechts auf Vorsteuerabzug zur Folge haben kann:

  • falls es aufgrund der Verletzung der formellen Voraussetzungen unmöglich waere festzustellen, ob der jeweilige Umsatz tatsaechlich zustande kam;
  • falls die Gesellschaft wusste bzw. den Verdacht hatte, dass ein Steuerbetrug begangen werden konnte.

Bei einem von einem Geschaeftspartner begangenen Steuerbetrug ist zum Nachweis der eigenen Unschuld und zur Erhaltung des Rechts auf Vorsteuerabzug unentbehrlich, das "gutglaeubige" Handeln unter Einhaltung "höchster Sorgfalt" zu dokumentieren. Durch die fehlende Vorsicht setzt sich der jeweilige Steuerpflichtige dem Risiko aus, dass sein Recht auf Vorsteuerabzug durch die Finanzbehörden in Frage gestellt wird.

Deswegen bieten wir Ihnen die Entwicklung und Einfuehrung der entsprechenden Verfahren fuer ueberpruefung Ihrer Geschaeftspartner, mit deren Umsetzung das Risiko fuer Infragestellung Ihrer umsatzsteuerlichen Abrechnungen durch die Finanzbehörden deutlich eingeschraenkt wird.

 

Sollten Sie Fragen dazu haben oder möchten Sie dieses Thema naeher besprechen, dann steht Ihnen unser Experte Przemysław POWIERZA jederzeit gerne zur Verfuegung.

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