Im Folgenden möchten wir Sie auf die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts in Polen (im Folgenden: OVG) vom 23. August 2016, Aktenzeichen II FSK 1811/14, aufmerksam machen. Dieses Urteil befasste sich mit der Rentabilitaet der Implementierung von Motivationsprogrammen fuer Mitarbeiter in Form der Gewaehrung von Aktienoptionen durch den Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung. In dem o.g. Fall hat das OVG geprueft, ob die Gewaehrung von Aktienoptionen im Rahmen eines Motivationsprogramms fuer Mitarbeiter möglicherweise die Entstehung einer steuerlich relevanten Einnahme zur Folge hat.

 

Vor ein paar Monaten haben wir in einer unserer Publikationen (Tax Alert 14/2016) das kontroverse Urteil des OVG vom 13. April 2016, Aktenzeichen II FSK 668/14, ueber die Doppelbesteuerung von Finanzinstrumenten im Rahmen von Motivationsprogrammen beschrieben. In diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass die Ausuebung der Aktienoptionen, die die Mitarbeiter im Rahmen eines Motivationsprogramms von ihrem Arbeitgeber erhalten, die Entstehung einer Einnahme auf Seite des Mitarbeiters verursacht und dass diese ein zweites Mal entsteht, wenn der Mitarbeiter die Aktien verkauft. Darueber hinaus erkannte das Gericht fuer Recht, dass der Mitarbeiter die Einnahmen aber nicht um den Aufwand verringern kann, der der Einnahme aus dem Tausch der Optionen gegen Aktien entspricht. Dieses Urteil, das in der Realitaet eine doppelte Besteuerung der Einnahmen aus der Verwertung von derivativen Finanzinstrumenten erlaubt, stellte eine Abweichung von der festen Rechtsprechungslinie dar. In diesem Kontext könnte sich die Zustimmung zur Besteuerung derartiger Einnahmen in noch einer Phase  – d.h. zum Zeitpunkt des Erhalts der Optionen  – als besonders beunruhigend fuer Steuerpflichtige erweisen, die Motivationsprogramme einfuehren und in Anspruch nehmen. Das Vorhergehende wurde von folgenden Behörden als begruendet angesehen:

  • Direktor der Finanzkammer Bydgoszcz in der Auskunft zur individuellen Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften vom 12. Juni 2013, Zeichen ITPB2/415-260/13/IB,
  • Direktor der Finanzkammer Bydgoszcz in der Auskunft zur individuellen Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften vom 20. August 2013, Zeichen ITPB2/415-547/13/IB,
  • Direktor der Finanzkammer Poznań in der Auskunft zur individuellen Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften vom 8. April 2014, Zeichen ILPB2/415-42/14-2/TR.

Drei Mal Einkommensteuer laut Fiskus...

Die Besteuerung von Vorteilen, die ein Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Motivationsprogramm erlangt, sollte nach Maßgabe der oben genannten Auskuenften zur individuellen Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften wie folgt aussehen.

1. Der Mitarbeiter erhaelt Aktienoptionen:

  • Es ist eine Einnahme aus unentgeltlichen Leistungen auszuweisen, die den Einnahmen aus sonstigen Quellen zugerechnet wird. Als Besteuerungsgrundlage gilt hier der Verkehrswert der Optionen, die Steuer wird nach dem Steuertarif berechnet (Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Ziffer 9 des poln. Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: poln. EStG).

2. Der Mitarbeiter uebt die Optionen aus, indem er die Aktien uebernimmt:

  • Es entsteht eine Einnahme aus Geldkapital  – infolge der Ausuebung der Rechte, die aus den derivativen Finanzinstrumenten resultieren, zu besteuern mit einer Einkommenssteuer von 19 % (Art. 17 Abs. 1 Ziffer 10 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Ziffer 7 poln. EStG).

3. Der Mitarbeiter verkauft die Aktien:

  • Es entsteht eine Einnahme aus Geldkapital  – infolge der entgeltlichen Veraeußerung der Aktien, zu besteuern mit einer Einkommenssteuer von 19 % (Art. 17 Abs. 1 Ziffer 6 Buchst. a i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Ziffer 7 poln. EStG).

Dabei ist zu bedenken, dass es in keinem Fall möglich ist, die waehrend einer frueheren Phase besteuerten Einnahmen von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen.

…Und laut OVG?

Der Fall, der der Gegenstand des eingangs genannten Urteils vom 23. August 2016, Aktenzeichen II FSK 1811/14 ist, betraf einen steuerpflichtigen Mitarbeiter einer polnischen Gesellschaft, die zu einer internationalen Unternehmensgruppe gehört. Dieser wurde von einem Motivationsprogramm umfasst, das von einem finnischen Mitgliedsunternehmen der Gruppe organisiert und kraft des Beschlusses der Hauptversammlung angenommen wurde. Das Programm bestand in einer unentgeltlichen, bedingten Gewaehrung von Optionen auf Aktien der Gesellschaft an ausgewaehlte Teilnehmer (darunter an die Mitarbeiter), die es hypothetisch in Zukunft (nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, den der Teilnehmer in den der Gruppe gehörenden Gesellschaften arbeiten musste) ermöglichten, Aktien der Gesellschaft
zu uebernehmen/zu erwerben oder die Optionen selbst weiter zu verkaufen. Der Rechtsstreit beschraenkte sich im Wesentlichen auf die Feststellung, ob die Gewaehrung der Aktienoptionen an die Teilnehmer des Motivationsprogramms eine steuerliche Einnahme aus sonstigen Quellen im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Ziffer 9 poln. EStG zur Folge hat.

Das OVG erkannte fuer Recht, dass die Einnahme zu jenem Zeitpunkt nicht entsteht, da keine Rechte (Vermögenszuwendungen, die eine konkrete finanzielle Größe darstellen) in das Vermögen des Steuerpflichtigen fließen, ueber die dieser als Eigentuemer verfuegen könnte. Der Steuerpflichtige ist Teilnehmer eines Motivationsprogramms und ihm wird nach dessen Bedingungen nur versprochen, dass er nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums und nach Erfuellung bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit erhaelt, die Optionen auszuueben, indem er die Aktien der Gesellschaft uebernimmt/erwirbt oder die Optionen selbst weiterverkauft. Die vorhergehenden Argumente fuehren somit zu dem Schluss, dass zum Zeitpunkt des Erhalts von Aktienoptionen nicht von einer steuerlichen Zuwendung auf Seite eines Mitarbeiters gesprochen werden kann, der Optionen dieser Art erhaelt. Der Erhalt einer Zusicherung allein stellt noch keine definitive und reale Vermögenszuwendung an eine natuerliche Person dar.

Keine Einnahme auch zum Zeitpunkt der Ausuebung der Aktienoptionen

Das OVG hat in dem hier besprochenen Urteil auch die Frage nach der Entstehung einer Einnahme auf Seite des Mitarbeiters zum Zeitpunkt der Ausuebung der Aktienoptionen zur Sprache gebracht.

Aus Art. 24 Abs. 11 poln. EStG ergibt es sich erstens, dass es infolge der uebernahme/des Erwerbs der Aktien zur Entstehung einer Einnahme in Höhe des Verkehrswerts der uebernommenen/erworbenen Aktien sowie zur Entstehung von Werbungskosten in Form des Aufwands fuer die uebernahme/den Erwerb der Aktien kommt. Zweitens ist das daraus erzielte Einkommen nicht zum Zeitpunkt der uebernahme/des Erwerbs dieser Aktien zu besteuern. Drittens gilt diese Regelung fuer Aktien, die von Personen uebernommen/erworben wurden, die aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung hierzu berechtigt wurden.

Die Steuerbehörde hatte angefuehrt, dass die Aktien, die der Steuerpflichtige durch Ausuebung der Optionen uebernimmt, diese Vorschrift nicht erfuellen, da die Grundlage fuer ihren Erhalt kein Beschluss der Hauptversammlung, sondern die Selbstverpflichtung des Emittenten der Optionen zu deren Ausuebung war.

Das Gericht teilte den Standpunkt der Steuerbehörde nicht und stellte fest, dass der Wortlaut der auszulegenden Vorschrift die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Aufschubs der Besteuerung des Einkommens nicht auf die uebernahme/den Erwerb eigener Aktien einer Gesellschaft beschraenkt, die einen Beschluss ueber die uebergabe an berechtigte Personen gefasst hat. Die Richter betonten, dass zum Zeitpunkt des Erhalts der Aktien zu Vorzugskonditionen die von der jeweiligen Person erhaltene Zuwendung – und zwar unabhaengig von der Quelle und dem Grund der Erlangung dieser Zuwendung  – lediglich potentiellen Charakter hat. Die uebernahme bzw. der Erwerb der Aktien (unentgeltlich, teilweise unentgeltlich) ist am Tag dieses Vorgangs steuerlich neutral, ist aber zum Zeitpunkt einer entgeltlichen Veraeußerung der Aktien gemaeß Art. 17 Abs. 1 Ziffer 6 Buchst. a poln. EStG zu besteuern. Erst zu jenem Zeitpunkt wird die tatsaechliche Einnahme aus der uebernahme der Aktien ausgewiesen.

Es lohnt sich anzumerken, dass auch das Urteil des OVG vom 20. Mai 2016, Aktenzeichen II FSK 1234/14 zu einem analogen Sachverhalt darauf hinweist, dass jede Person, deren Recht auf uebernahme von Aktien aus einem Beschluss der Hauptversammlung resultiert (selbst wenn dieser die Gewaehrung von Optionen auf diese Aktien betreffen sollte), den Aufschub der Besteuerung bis zum Zeitpunkt der Veraeußerung der Aktien in Anspruch nehmen kann.

Es bleibt zu hoffen, dass die analysierte Entscheidung des OVG zu einer aenderung der Auslegungslinie der Steuerbehörden beitraegt, die Steuerpflichtigen das Recht auf Inanspruchnahme eines Aufschubs gemaeß Art. 24 Abs. 11 poln. EStG haeufig abgesprochen haben, wenn die Aktien zwar aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung, aber infolge der Ausuebung der auf Grundlage dieses Beschlusses gewaehrten Optionen erworben wurden, und damit potentiellen kuenftigen Absichten des Fiskus, Arbeitnehmervorteile dieser Art bereits zum Zeitpunkt des Erhalts der Aktienoptionen zu besteuern, ein Ende gesetzt wird.

 

Sollten Sie Fragen dazu haben oder möchten Sie dieses Thema naeher besprechen, dann steht Ihnen unser Experte Przemysław POWIERZA jederzeit gerne zur Verfuegung.

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