Wie Przemysław POWIERZA, Tax Partner bei RSM Poland, in einem Interview mit „Dziennik Gazeta Prawna” – einer überregionalen juristisch-ökonomischen Tageszeitung – bereits erwähnt hat, bedeuten Streitigkeiten mit dem polnischen Finanzamt nicht immer Sorgen, sondern sind manchmal sogar notwendig, damit sich das Unternehmen sicherer fühlen und Steuerrisiken minimieren kann. Was können jedoch Unternehmer erwarten, wenn sie sich entscheiden, die Unterstützung eines Beraters in Anspruch zu nehmen und in einen Streit mit der Landesfinanzverwaltung einzutreten. Folgend finden Sie den zweiten Teil des Interviews mit unserem Experten. 

DGP: Lassen Sie uns weiter diskutieren, wie ein solcher Steuerstreit aussieht, was die nächsten Phasen sind. Wie Sie bereits gesagt haben, beginnt es oft mit einem harmlosen Anruf, in dem wir um eine Erklärung gebeten werden. Wir wissen schon, dass wir um ein offizielles Schreiben bitten sollen...

PP: Wenn wir eine Vorladung verlangen, bekommen wir sie normalerweise. Bei Angelegenheiten von geringer Bedeutung ist E-Mail eine häufig bevorzugte Art der Kontaktaufnahme. Es sei daran erinnert, dass E-Mail-Verkehr kein formelles Verfahren für den Informationsaustausch mit der Finanzbehörde ist, obwohl Sie, wenn es sich um eine Kleinigkeit handelt, wirklich bei dieser E-Mail aufhören können. Nach dem festgelegten Verfahren sollten wir jedoch eine schriftliche Vorladung per Post oder via e-PUAP-Plattform erhalten, die ein offizieller Kommunikationskanal mit der öffentlichen Verwaltung ist. Dadurch können wir später genau feststellen, wann dieser Informationsaustausch stattgefunden hat.

Wir tauschen Informationen im Rahmen der steuerliche Vorprüfung aus, bei der Zweifel seitens der Finanzbehörde aufkommen können – und dann sollte berücksichtigt werden, dass dies in Zukunft zu einer Betriebsprüfung führen kann. Eine Betriebsprüfung ist eine stärker formalisierte Form des Informationsaustauschs mit einem bestimmten Anfang, Ende und Umfang. 

Dabei ist hervorzuheben, dass die Prüfbehörde in solch einem Fall eine Reihe von Handlungen einleitet, was auch zugleich die aktive Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Prüfung einschränkt – dies bedeutet aber nicht, dass er „ruhig an der Seite” sitzen sollte. Im Gegenteil, es lohnt sich immer, die Gelegenheit zu nutzen, Ihre Kommentare zu den Aktivitäten der Behörde hinzuzufügen und sicherzustellen, dass die Dokumentation der Prüfung möglichst viele Informationen über unsere Geschäftstätigkeit enthält. Solche Erklärungen und Kommentare des Steuerpflichtigen können sich als äußerst wichtig erweisen, wenn die nächste Phase, d.h. das Steuerverfahren, stattfindet. Dies ist die Phase, in der Unstimmigkeiten in der Beurteilung der Situation zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde zu einem Treffen vor Gericht führen können, d. h. zur letztmöglichen Phase des Streits.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Steuerstreit sehr früh beginnen und sich sehr unterschiedlich entwickeln kann – wir können das nicht vorhersagen. Dort, wo wir jedoch etwas tun können, sollten wir sehr aktiv sein und dafür sorgen, dass unsere Meinung in der Vielzahl der von den Beamten der Landesfinanzverwaltung bearbeiteten Daten und Unterlagen nicht untergeht.
 

DGP: Wir können also sagen, dass wir mehrere Möglichkeiten von „Gesprächen mit dem Finanzamt” haben: Zuerst können wir Vorladung zur Erklärung erhalten, und der nächste Schritt ist eine Betriebsprüfung – und hier kann es zu einem ernsthaften Streit kommen. Es gibt auch so etwas wie eine Zoll- und Außenprüfung, die für praktisch alle Unternehmer gilt, obwohl nur wenige darauf gestoßen haben. 

PP: Zoll- und Außenprüfung funktioniert parallel zu den bereits angesprochenen Phasen. Grundsätzlich glaubte man bisher, dass sie für besonders zweifelhafte Fälle gedacht ist – wie z. B. die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Steuerabrechnungen. 

Aktuell findet diese Art von Prüfung auch bei komplizierten Fällen, wie z.B. Überprüfung der Korrektheit von Verrechnungspreisen, Anwendung. 

In vielerlei Hinsicht ist eine Zoll- und Außenprüfung einer Betriebsprüfung ähnlich. Und obwohl dies bedeutet, dass die Initiative bei der Finanzbehörde liegt, sollte der Unternehmer jede Gelegenheit nutzen, um seine Kommentare und Begründungen hinzuzufügen. Lassen Sie mich noch einmal betonen: wenn Sie daran denken, dass jeder Steuerstreit vor Gericht landen kann, müssen Sie von Anfang an sicherstellen, dass die Unterlagen aus Ihrer Sicht möglichst viele Informationen zu Ihrem Unternehmen enthalten. Vergessen wir nicht, dass polnische Steuern heutzutage nicht nur einen einfachen Steuersatz bedeuten, der sich auf eine Bemessungsgrundlage bezieht, sondern manchmal auch riesige Kosten für Berechnung dieser Steuern und ihre anschließende Bearbeitung und einige damit verbundene langfristige Streitigkeiten, die manchmal zusätzlich dadurch kompliziert werden, dass sich am Anfang niemand um die Prüfung der Risiken und entsprechenden Sicherheiten gekümmert hat.

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DGP: Sind polnische Unternehmer bereit, vor Gericht zu gehen? Welche Einstellung ist häufiger: „Ich kenne die Vorschriften und bin mir sicher, dass ich Recht habe” oder eher „Ich werde mich nicht mit dem Finanzamt streiten, ich gebe auf und zahle”?

PP: Ich werde wie jeder Praktiker antworten – es hängt von den Auswirkungen der jeweiligen Streitsache auf das Geschäft ab. Ich bezeichne es als „Wiederholung des Themas”. Betrifft die Meinungsverschiedenheit zwischen Beamten und Unternehmer ein einzelnes Thema, dann dominiert häufiger der Ansatz: „lasst uns das Ausmaß dieses Streits und die Kosten begrenzen”. In solchen Situationen sind Unternehmer bereit, bestimmte Dinge loszulassen, um den Fall so schnell wie möglich abzuschließen.

Anders sieht es bei den Themen aus, die immer wieder auftreten oder z.B. zu einem ernsthaften Verdacht gegenüber dem jeweiligen Unternehmen führen können. Die Folgen einer kompromissbereiten Haltung können die Lage des Unternehmens in solchen Fällen erheblich beeinflussen. Und nach meinen Beobachtungen „steigen” Unternehmer dann „in den Ring”. 

Denken Sie jedoch daran, dass die Entscheidung jedes Mal geschäftlich bedingt ist und von den jeweiligen Bedingungen abhängt. Trotzdem, wenn ich eine allgemeine Einschätzung versuchen würde, scheuen sich unsere Unternehmer nicht, sich auf einen Streit einzulassen und ihn zu Ende zu bringen. Ihre Zurückhaltung, eine Diskussion mit dem Finanzamt zu beginnen, findet meist am Anfang statt, bei dieser harmlosen steuerlichen Vorprüfung. Sobald sie wissen, dass der Steuerstreit „ernst” wird, versuchen sie alle Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen steuerrechtliche Verfahren bieten.

 

DGP: Kommen wir zur letzten Phase: einem harten Streit vor Gericht. Sind die polnischen Gerichte auf solche „geschäftsbezogenen” Verwaltungssachen gut vorbereitet? Schließlich müssen sie sich in Realitäten der Unternehmensführung gut auskennen, um ein richtiges Urteil zu fällen.

PP: Ich werde diplomatisch antworten: der Stand der Vorbereitung in den Verwaltungsgerichten, insbesondere in den erstinstanzlichen Gerichten (Woiwodschaftsgerichten), ist... verschieden. Ich werde hier kein Geheimnis lüften, wenn ich sage, dass wir als Steuerberater genau sagen können, welche Gerichte in einem bestimmten Thema gut und welche schlechter abschneiden. 

Heute stehen die Gerichte jedoch vor einer großen Herausforderung – wegen der schlechten Qualität des Steuerrechts übernehmen sie die Verantwortung bereits in der letzten Phase der Auseinandersetzung des Steuerpflichtigen mit dem Finanzamt. Um fair zu urteilen, d.h. de facto gemäß dem Wortlaut des Gesetzes, muss man zunächst das Geschäft des Steuerzahlers gut verstehen (und hier betone ich noch einmal: das Gericht hat eine bessere Chance, unser Geschäft gut zu verstehen, wenn es dank unserer bisherigen Handlungen mehr über unser Geschäft in der Akte der Sache findet). 

Erinnern wir uns daran, dass ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Ladung von Zeugen nicht zulässt, und in der Verhandlung gibt es nicht viel zu sagen oder zu erklären – sie ist sehr formalisiert und eigentlich kurz. Das Gericht bildet sich eine Meinung über uns auf der Grundlage dessen, was es in dem „Box mit Dokumenten” findet, die während der Betriebsprüfung erstellt wurden. Deshalb ist es so wichtig, dass sich der Steuerzahler im Voraus um die richtige Anzahl seiner Kommentare und Geschäftsbeschreibungen kümmert – dies erhöht die Chancen, dass der Richter unseren Fall gut versteht und zu unseren Gunsten entscheidet.
 

DGP: Daher gibt es keinen Grund, sich vor Streitigkeiten zu fürchten, und sogar soll man bereit sein, einen Streit gut zu führen, denn es hilft, das Unternehmen gut zu führen. Damit die Vorschriften, die nicht immer klar und verständlich sind, zugunsten unseres Unternehmens ausgelegt werden.

PP: Am Ende würde ich als Zusammenfassung unseres Gesprächs folgende These aufstellen: ein heutzutage gut geführtes Unternehmen ist dasjenige, das Zeit für ein ständiges Gespräch mit dem Finanzamt plant und dieses Gespräch – manchmal auch die Konfrontation – im guten Sinne des Wortes, d.h. den Informationsaustausch nicht vermeidet, um zu wissen, wo sein Wissen eventuell ergänzt werden muss. Meiner Meinung nach ist dies heute ein wichtiges Element der Strategie für Steuersicherheit.