Dawid STOLAREK
Corporate Finance Manager bei RSM Poland

Es ist offensichtlich, dass in der freien Marktwirtschaft, insbesondere in Branchen ohne hohe Eintrittsschranken, und als eine solche ist breit verstandenes Consulting zu betrachten, hat ein Mandant eine besondere Position. Gerade er als der Kaeufer von Waren und Dienstleistungen entscheidet ueber den Erfolg oder Misserfolg der von uns – d.h. professionellen Beratern und Consultants – ausgeuebten Geschaeftstaetigkeit.

Hat der Mandant das letzte Wort?

Die Unternehmensbewertung ist oder eher soll ein unabhaengiges Gutachten zum Wert eines Unternehmens sein. Jedoch oft haben die Mandanten, die einen Bewertungsauftrag vergeben, im Voraus eine bestimmte Meinung zu dem zu erwartenden Endergebnis. Nicht selten betrachten sie das im Rahmen der Bewertung erstellte Dokument als etwas, was die bereits aufgestellte These und die Richtigkeit der geplanten Maßnahmen einfach bestaetigt.

Worauf sind diese Erwartungen zurueckzufuehren? Wird die Bewertung von dem Unternehmensinhaber beauftragt, hat er meistens das Interesse daran, eine Analyse mit dem möglichst hohen angegebenen Unternehmenswert zu erhalten. Zieht dieser Unternehmensinhaber den Verkauf seiner Anteile bzw. Aktien in Erwaegung, dann gilt das Dokument, in dem diese Vermögenswerte hoch bewertet werden, als ein wichtiges Instrument zur Festigung seiner Verhandlungsposition. In solch einem Fall ist die Absicht, möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, ein wesentlicher Motivationsanreiz fuer die Ausuebung des Drucks auf den Consultant. Manchmal kommt auch vor, dass das mehrjaehrige Engagement des Unternehmensinhabers zu Unternehmensentwicklung und seine persönliche Bindung daran eine ueberzeugung von dem erheblichen Wert seines Geschaefts bei ihm gebildet haben. Es ist jedoch zu beachten, dass alle subjektiven Faktoren keinen Einfluss auf die durch den Markt formulierten Bewertungen haben.

Analog zur vorgenannten Situation zielt ein Kaeufer auf die Nutzung aller möglichen Mittel und Argumente ab, die zur Minderung des Wertes des zu erwerbenden Unternehmens bei dem die Bewertung durchfuehrenden Consultant beitragen können.

Unabhaengiges Gutachten als Grundlage fuer hochqualitative Unternehmensbewertung

Wie soll sich also ein die Bewertung erstellender Consultant verhalten, der unter Druck seines Mandanten steht? Sollte er ein unabhaengiger Berater bleiben, der sich bei der Bewertung ausschließlich nach eigenen Urteilen richtet oder sollte er eher als ein Anwalt agieren, der sich die Erarbeitung einer möglichst guenstigen Stellung fuer seinen Mandanten zum Hauptziel setzt. Bei Beantwortung einer so gestellten Frage sind vor allem die fundamentalen Voraussetzungen fuer die Erstellung einer Bewertung zu beruecksichtigen. Als eine solche Voraussetzung gilt der angenommene Wertstandard, d.h. die Bestimmung, wie das im Rahmen der Bewertung erzielte Ergebnis zu interpretieren ist. Am haeufigsten nimmt man an, dass die erstellte Bewertung die Standards fuer den beizulegenden Zeitwert (eng. Fair Value) erfuellt. Nach IFRS 13 ist der beizulegende Zeitwert der Preis, der im Zuge eines geordneten Geschaeftsvorfalls unter Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenswerts erhalten wuerde oder bei uebertragung einer Schuld zu zahlen waere. Der geordnete Geschaeftsvorfall bedeutet auch in Vermutung, dass die Transaktionspartner freiwillig handeln und erforderliches Wissen haben, um sich die Meinung ueber den tatsaechlichen Wert des Transaktionsgegenstands zu machen. Die Annahme des Standards fuer den beizulegenden Zeitwert bei der Bewertung schließt die Vornahme irgendwelcher aenderungen aus, die sich subjektiv auf die Ermittlung des Unternehmenswertes auswirken könnten. Der die Bewertung erstellende Consultant soll demnach unabhaengig handeln und die Argumente des Mandanten nur in solchem Umfang in Betracht ziehen, in welchem sie tatsaechlich den geschaetzten Unternehmenswert unter Beruecksichtigung des vorgenannten Wertstandards beeinflussen.

Von jeder Regel gibt es Abweichungen

Ist es demnach möglich, ein Dokument mit der Kalkulation des Unternehmenswerts aufgrund der Annahmen zu erstellen, die gemaeß dem Wissen des Consultants kaum als höchst wahrscheinlich betrachtet werden können? Ja, es ist aber dabei ausdruecklich zu betonen, dass solch ein Dokument eher als eine Simulation und nicht als Bewertung gelten und ausschließlich fuer interne Zwecke des Mandanten genutzt werden soll. Selbst der Bericht ueber die Durchfuehrung der Unternehmensbewertung soll die entsprechenden Informationen und Einschraenkungen dazu enthalten.